Nach dem Tod Kim Jong Ils:"Wir erwarten einen Wandel in Nordkorea"

Die Menschenrechtsgruppe Pscore hilft in Südkorea Flüchtlingen aus dem Norden. Generalsekretär Bada Nam hofft, dass sich mit dem Tod des Diktators die Lage in dem abgeschotteten Land bessert. Ein Gespräch über das Erbe des Despoten, seinen Sohn und neuen Machthaber Kim Jong Un und die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der beiden Koreas.

Bastian Brinkmann, Seoul

In der Menschenrechts-NGO Pscore arbeiten geflohene Nordkoreaner, Südkoreaner und Freiwillige aus Übersee. Sie sammeln Informationen aus Nordkorea und helfen Flüchtlingen in Seoul, indem sie sie beispielsweise in Englisch unterrichten oder ihnen zeigen, wie man im Internet surft. Der gebürtige Südkoreaner Bada Nam, Generalsekretär der NGO, saß mit Kollegen aus Nordkorea im Büro, als er die Nachricht von Kim Jong Ils Tod hörte.

sueddeutsche.de: Was war die erste Reaktion auf die Meldung?

Bada Nam: Neben mir saß ein Überläufer aus Nordkorea, der erstmal "Wow!" gerufen hat. Er ist begeistert. Denn Kim Jong Il und seine Politik waren die Hauptursache für die schweren Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea. Der Tod kam andererseits sehr plötzlich. Von daher sehen manche nun auch neue Probleme, die jetzt auf uns zukommen.

sueddeutsche.de: Die südkoreanische Armee ist in Alarmbereitschaft versetzt. Machen Sie sich Sorgen?

Nam: Nein, die Stimmung hier im Büro ist positiv. Es sind eher die Ausländer und die Südkoreaner, die sich Sorgen machen.

sueddeutsche.de: Was bedeutet der Tod des Diktators für die Menschen in Nordkorea?

Nam: Wir hatten heute noch keinen Kontakt zu unseren Quellen in Nordkorea. Das ist im Moment zu gefährlich. Sie müssen sowieso in jüngster Zeit zwei Stunden die Berge hochklettern, um den Störsendern zu entkommen und mit uns zu telefonieren. Die Kommunikation wird zunehmend schwieriger. Wir haben natürlich auch ein Auge auf die Grenze zwischen Nordkorea und China. Der Grenzfluss dort ist der Ausweg, wenn jemand aus Nordkorea fliehen möchte.

sueddeutsche.de: Nach dem Tod von Kim Jong Ils Vater Kim Il Sung 1994 haben die Nordkoreaner tagelang öffentlich getrauert, sind zu Statuen des "großen Führers" gepilgert und haben im Kollektiv geweint. Werden sich diese Szenen wiederholen?

Nam: Das ist schwer vorherzusehen. Eines ist aber sicher: Wenn die Leute wieder stundenlang in der Öffentlichkeit trauern müssen, dann wird das Wetter zum Problem. Kim Jong Ils Vater ist im Sommer gestorben. Jetzt ist es eisig kalt draußen.

sueddeutsche.de: Wird sich nun etwas in Nordkorea ändern? Kims Nachfolger wird ja sein eigener Sohn, Kim Jong Un.

Nam: Wir erwarten, dass es zu einem Wandel kommen wird. Wir hoffen natürlich, dass sich die Situation nun bessert. Allerdings gibt es quasi keine Informationen über die politische Haltung von Kim Jong Un. Von daher werden erst die kommenden Monate zeigen, wie es weitergeht.

sueddeutsche.de: Was erwarten Sie und die nordkoreanischen Flüchtlinge vom neuen Diktator Kim Jong Un?

Nam: Er ist sehr jung und hat noch keine Erfahrung. Es gibt allerdings auch keine Nachrichten über seine diplomatischen und sonstigen Fähigkeiten. Auch müssen wir abwarten, wie sich die Machtübergabe gestaltet. Kim Jong Un wird das Land nicht von Anfang an so eisern regieren können wie sein Vater.

sueddeutsche.de: Ihre NGO heißt Pscore, People for Successful Corean Reunification, Menschen für die erfolgreiche Wiedervereinigung von Korea. Ist denn nun eine Wiedervereinigung nähergerückt?

Nam: Aus der Landbevölkerung kann kein Impuls zu einem Umsturz kommen, weil die Menschen ums Überleben kämpfen müssen. Neben Kim Jong Un gibt es andere mächtige Personen in Pjöngjang. Wenn sich Nordkoreaner aus dem inneren Machtzirkel gegen Kim Jong Un stellen oder sich ins Ausland absetzten, dann könnte es zu einem Kollaps des Regimes kommt. Doch bislang gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte.

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