Nach dem Tod Filbingers:Zentralrat der Juden kritisiert Oettinger

Auf scharfe Kritik ist die Rede von Ministerpräsident Oettinger gestoßen: Bei der Trauerfeier des Marinerichters und SA-Mitglieds Filbinger sagte er, dieser "sei kein Nationalsozialist gewesen".

Nach der Trauerfeier für den früheren baden-württembergischen Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) ist der Streit über dessen Zeit als NS-Marinerichter wieder voll entbrannt.

Nach dem Tod Filbingers: Filbinger starb am Sonntag im Alter von 93 Jahren. Filbinger war 1978 zurückgetreten, als bekannt geworden war, dass er am Ende des Zweiten Weltkriegs als Marinerichter an Todesurteilen gegen deutsche Soldaten beteiligt war

Filbinger starb am Sonntag im Alter von 93 Jahren. Filbinger war 1978 zurückgetreten, als bekannt geworden war, dass er am Ende des Zweiten Weltkriegs als Marinerichter an Todesurteilen gegen deutsche Soldaten beteiligt war

(Foto: Foto: dpa)

Auslöser ist eine Rede des heutigen Regierungschefs Günther Oettinger (CDU) bei der Feier im Freiburger Münster, in der er Filbinger gegen seine Kritiker verteidigte. "Hans Filbinger war kein Nationalsozialist", sagte Oettinger.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte, der Ministerpräsident sei wie Filbinger unbelehrbar. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth, der Filbingers Tätigkeit als Marinerichter 1978 öffentlich gemacht hatte, sagte, dieser sei zum Ende des Krieges ein "sadistischer Nazi gewesen".

Zehn Tage nach Filbingers Tod hatten rund 700 Menschen an der Trauerfeier teilgenommen. Filbinger war 1978 zurückgetreten, als bekannt geworden war, dass er am Ende des Zweiten Weltkriegs als Marinerichter an Todesurteilen gegen deutsche Soldaten beteiligt war.

Oettinger sagte hingegen: "Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte." Der CDU-Politiker fügte hinzu: "Er hatte nicht die Entscheidungsmacht und nicht die Entscheidungsfreiheit, die seine Kritiker ihm unterstellen."

Den damaligen Zwängen gebeugt

Der in Mannheim geborene Jurist Filbinger sei Gegner des NS-Regimes gewesen, habe sich den damaligen Zwängen aber beugen müssen. Dies müssten auch Filbingers Kritiker einräumen. Nach Angaben des Freiburger Historikers Hugo Ott war Filbinger nicht Mitglied in der NSDAP, allerdings habe er der NS-Kampforganisation Sturmabteilung (SA) angehört.

Zentralrats-Vizepräsident Dieter Graumann sagte der dpa in Berlin zu Oettingers Rede: "Ich finde die Äußerung grauenhaft und sie transportiert auch die falsche Botschaft, sie bemäntelt die doch vorhandene Schuld eines Mannes wie Hans Filbinger." Tatsache sei, dass Filbinger an Urteilen mitgewirkt habe, durch die Menschen zu Tode kamen.

Nach Graumanns Meinung hat Filbinger das NS-Regime "sehr wohl getragen". "Er hat es bis zum Schluss nicht eingesehen und offenbar sieht es sein Nach-Nach-Nachfolger auch nicht ein".

"Sadistischer Nazi"

Der Autor Hochhuth nannte Oettingers Äußerungen zur Verstrickung Filbingers "eine unverfrorene Erfindung". Die Tragödie des Matrosen Walter Gröger etwa sei bewiesen und als Buch erschienen, sagte Hochhuth. Diesen habe "Filbinger persönlich noch in britischer Kriegsgefangenschaft ermordet". Hochhuth fügte hinzu: "Wozu nichts Filbinger genötigt hat als die Tatsache, dass er ein sadistischer Nazi war."

Oettinger hatte in Freiburg gemahnt: "Für uns Nachgeborene ist es schwer bis unmöglich, die damalige Zeit zu beurteilen." Filbinger sei "schicksalhaft in eine Situation hineingeraten, die den Menschen heute zum Glück erspart bleibt". Als Ministerpräsident habe Filbinger Baden-Württemberg entscheidend geprägt. "Er war ein Landesvater im besten Sinn dieses großen Wortes."

Auch bei den Grünen stieß Oettingers Rede auf Kritik. Der baden-württembergische Parteichef Daniel Mouratidis sagte: "Mir ist es völlig unverständlich, dass Oettinger die deutsche Geschichte verklärt, wenn er einen Helfer des NS-Regimes als Gegner der Nazis bezeichnet."

Filbinger war am Sonntag vergangener Woche im Alter von 93 Jahren in Freiburg gestorben. Der CDU-Politiker hatte das Land zwischen 1966 und 1978 regiert. Zur Trauerfeier versammelten sich am Mittwoch vor allem Weggefährten und Freunde des CDU-Politikers: Unter anderen kamen Filbingers Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Lothar Späth und Erwin Teufel, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sowie Unions-Fraktionschef Volker Kauder (alle CDU). Beigesetzt wurde Filbinger im engsten Familienkreis. Er hinterlässt vier Töchter und einen Sohn, 14 Enkel und zwei Urenkel.

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