Nach dem Rücktritt von Rumäniens Premier:Geheimdienstchef soll Regierungschef werden

Im Auftrag seines Präsidenten: Mihai Razvan Ungureanu, derzeit Chef des Auslandsgeheimdienstes, soll dem zurückgetretenen Premier Boc folgen - und Rumänien aus der Krise führen. Unklar ist jedoch, ob das Parlament dem Vorschlag zustimmen wird.

Klaus Brill

Nach wochenlangen Protesten gegen seine unpopuläre Sparpolitik hat der konservative rumänische Ministerpräsident Emil Boc am Montag sein Amt niedergelegt. Sein Nachfolger soll der parteilose Mihai Razvan Ungureanu werden, Chef des Auslandgeheimdienstes und von 2004 bis 2007 Außenminister. Das schlug Staatspräsident Traian Basescu am Abend dem Parlament vor.

Nach dem Rücktritt von Rumäniens Premier: Er soll Rumänien aus der Krise führen: Mihai Razvan Ungureanu, derzeit Geheimdienstchef in Bukarest.

Er soll Rumänien aus der Krise führen: Mihai Razvan Ungureanu, derzeit Geheimdienstchef in Bukarest.

(Foto: AP)

Der 43 Jahre alte Historiker Ungureanu ist ein Karrierediplomat. Unklar ist jedoch, ob das Parlament dem Vorschlag zustimmen wird. Rumäniens liberale und sozialistische Opposition hat mehrmals betont, gegen jeden Vorschlag Basescus stimmen zu wollen, um vorgezogene Wahlen herbeizuführen. Zunächst berief Basescu den langjährigen parteilosen Justizminister Catalin Predoiu zum geschäftsführenden Regierungschef.

Das bisherige Kabinett, das sich auf die konservativ-liberale Demokratische Partei (PDL) und die Vertretung der ungarischen Minderheit (UMDV) stützt, war zuletzt wegen abstürzender Umfragewerte auch im eigenen Lager stark unter Druck geraten. Vor einer Woche musste Boc sich bei einer Fraktionssitzung der eigenen Partei PDL mangelnde Führungskraft und konfuses Taktieren vorwerfen lassen. Die Partei habe schon längst keine Strategie und keine Visionen mehr, bemängelten Abgeordnete.

Die Lage im Land ist schon seit Mitte 2009 gespannt, nachdem die Regierung Boc drastische Sparmaßnahmen gegen die horrende Staatsverschuldung beschlossen hatte. Unter anderem wurden die Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um ein Viertel gekürzt, die Renten eingefroren und die Mehrwertsteuer von 19 auf 24 Prozent erhöht.

Dies brachte viele Rumänen in Armut und an den Rand des Hungers; jüngst gerieten vor allem ältere Menschen durch die Kälte in allergrößte Not. Die Wut der Bürger wuchs auch deshalb, weil die Regierung bei der Bekämpfung der grassierenden Korruption und der Reform des Gesundheitswesens bisher keine überzeugenden Ergebnisse vorweisen konnte. Als vor einem Monat ein populärer Arzt, der privat eine effiziente Notfall-Versorgung aufgebaut hatte, in Konflikt mit dem konservativen Staatspräsidenten Basescu geriet, entlud der Zorn sich in einer Serie spontaner Demonstrationen.

Die Ursachen der Misere liegen aber tiefer. Wesentlichen Anteil haben Entscheidungen früherer Regierungen, die mit Unterstützung der heute oppositionellen Liberalen und Sozialisten den Beamtenapparat 2008 übermäßig aufgebläht hatten. Hinzu kam die Wirtschaftskrise, sodass Rumänien 2009 zur Vermeidung des Staatsbankrotts vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der EU einen Kredit über 20 Milliarden Euro benötigte, der mit harten Auflagen verbunden wurde. Allerdings war es der Regierung in Bukarest freigestellt, das Defizit durch Entlassungen, Steuererhöhungen oder Einkommensminderungen auszugleichen.

Die IWF-Delegation, die regelmäßig die Lage prüft, empfahl noch am Sonntag "wachstumsfördernde Maßnahmen", also eine Ankurbelung des Konsums durch höhere Einkommen. Zugleich verlangte die Abordnung dringend eine Reform der maroden Staatsunternehmen, unter anderem durch Privatisierungen, die seit Jahren aufgeschoben werden. Regierungschef Boc verteidigte seinen bisherigen Kurs mit dem Argument, es sei um die Rettung des Landes und nicht um einen Popularitätswettbewerb gegangen. Rumänien habe trotz Krise eine der höchsten Wachstumsraten der EU, auch für 2012 werde mit bis zu zwei Prozent Wachstum gerechnet.

Die Opposition hingegen erklärte, die "korrupteste, inkompetenteste und verlogenste Regierung" Rumäniens seit dem Ende des Kommunismus sei jetzt weg. "Das ist ein Sieg für alle, die auf den Straßen demonstriert haben", so der Chef der Liberalen Partei (PNL), Crin Antonescu. Ebenso wie die Sozialdemokraten, mit denen sie ein Bündnis haben, forderten die Liberalen eine vorzeitige Neuwahl. Nach regulärem Zeitplan stehen Wahlen erst im November dieses Jahres an. Falls ein neues Kabinett unter Ungureanu im Parlament zwei Mal nicht bestätigt wird, löst das Parlament sich gemäß der Verfassung automatisch auf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: