Nach Attentat auf jüdischen Aktivisten:Schwere Ausschreitungen im Osten Jerusalems

Lesezeit: 3 min

  • Nach dem Attentat auf einen jüdischen Aktivisten und dem Tod des der Tat verdächtigten Palästinensers kommt es in Jerusalem zu Ausschreitungen.
  • Die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg bleibt einem israelischen Beschluss zufolge vorerst geschlossen. Palästinenserpräsident Abbas bezeichnet das als "Kriegserklärung".
  • Schweden erkennt Palästina offiziell als Staat an.

"Es ist so schlimm wie nie, alle sind wütend"

Nach der Erschießung eines mutmaßlichen palästinensischen Attentäters in Jerusalem durch die Polizei ist es im Osten der Stadt zu gewaltsamen Protesten gekommen. Palästinenser bewarfen Polizisten mit Steinen, diese wiederum setzte Tränengas ein. Der getötete Palästinenser wird verdächtigt, am Mittwochabend einen jüdischen Rechtsextremisten durch Schüsse schwer verletzt zu haben.

Die Demonstranten errichteten Barrikaden aus Müll und zündeten sie an. Zudem bewarfen die zum Teil vermummten Palästinenser die Sicherheitskräfte mit Ziegeln und Steinen. Der Polizei gelang es trotz Tränengaseinsatzes nicht, die Krawalle zu beenden. Die Demonstranten formierten sich immer wieder schnell neu und griffen die Sicherheitskräfte an. "Es wird zu einer neuen Intifada", sagte ein 65-jähriger Bewohner des betroffenen Vororts mit Verweis auf die Palästinenseraufstände von 1987 bis 1993 und von 2000 bis 2005. "Es ist so schlimm wie nie, alle sind wütend."

Israel sperrt Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg

Die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg bleibt vorerst geschlossen. Das gab der israelische Minister für öffentliche Sicherheit in einer Stellungnahme bekannt. Für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kommt diese Entscheidung einer "Kriegserklärung" gegenüber dem palästinensischen Volk und seinen heiligen Orten gleich. So zitiert ihn sein Sprecher Al Jazeera zufolge.

Israelische Sicherheitskräfte hatten am Morgen im Stadtteil Abu Tor einen Palästinenser erschossen, der an dem Attentat auf den rechten jüdischen Aktivisten, Rabbi Jehuda Glick, beteiligt gewesen sein soll. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, er habe Maßnahmen angeordnet, um die Sicherheit in Jerusalem und den Status guo der heiligen Stätten aufrechtzuerhalten. Zunächst sei es nötig "die Flammen zu löschen", sagte Netanjahu. "Keine Seite sollte das Recht selbst in die Hand nehmen."

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Der Aktivist Glick setzte sich für einen freien Zugang der Juden zum Tempelberg in der Altstadt von Jerusalem ein. Der Tempelberg gehört zu den heiligsten Stätten von Juden und Muslimen, doch bisher ist das Gebet dort nur letzteren erlaubt. Rechte jüdische Organisationen wollen dieses Recht auch für Juden durchsetzen. Glick soll zuvor noch an einer Konferenz teilgenommen haben, bei der es um eben diese Ansprüche auf den Tempelberg ging.

Schweden erkennt Palästina als Staat an

Der Konflikt um den Tempelberg verschärft die Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern. Zusätzlicher Druck kommt nun aus Schweden: Früher als geplant hat das Land Palästina offiziell als Staat anerkannt. Außenministerin Margot Wallström sagte, sie hoffe, dass der Schritt dabei helfe, wieder Bewegung in den festgefahrenen Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern zu bringen. Ihr Land ergreife mit der Anerkennung nicht Partei in dem Konflikt und hoffe, dass andere EU-Länder dem schwedischen Beispiel folgten.

Siedlungen in Ost-Jerusalem
:USA kritisieren Israel ungewöhnlich scharf

Zwist unter Verbündeten: Israelische Baupläne in Ost-Jerusalem sorgen für ausgesprochen heftige Kritik aus dem Weißen Haus. Die Rede ist von "Gift für die Atmosphäre". Premier Netanjahu bleibt uneinsichtig.

Die neue sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsident Stefan Löfven hatte Anfang des Monats den Schritt angekündigt. Während die Palästinenser die Anerkennung begrüßten, stieß sie bei Israel auf deutliche Kritik.

Die Palästinenser streben einen eigenen Staat auf dem Gebiet des von Israel besetzten Westjordanlandes und des Gazastreifens mit Ostjerusalem als Hauptstadt an. Von den EU-Staaten erkannten bisher mit Malta und Zypern zwei kleinere und neuere Mitgliedsländer Palästina als Staat an. Ungarn, Polen und die Slowakei hatten dies bereits getan, bevor sie EU-Mitglied wurden. In London sprach sich das britische Unterhaus vor zwei Wochen ebenfalls für den Schritt aus. Das Votum ist aber nicht bindend für die Regierung. Mit Schweden umfasst die Liste, die den Staat Palästina anerkannt haben, 135 Länder.

Feltman wirft Israel Verstoß gegen internationales Recht vor

Israel hatte erst vor kurzem angekündigt, im besetzten Ostjerusalem seine Siedlungen weiter auszubauen. Der UN-Sicherheitsrat hat sich daraufhin am Mittwoch in einer Dringlichkeitssitzung beraten. "Die Besatzungsmacht Israel muss aufgefordert werden, umgehend und vollständig seine illegalen Siedlungsaktivitäten in den besetzten Palästinensergebieten einzustellen, einschließlich in Ostjerusalem", sagte der palästinensische UN-Botschafter Rijad Mansur bei der Sitzung, die von Jordanien beantragt worden war. Eine völkerrechtlich bindende Resolution war nicht geplant.

Israel dementiert

Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jeffrey Feltman forderte Israel zur Einstellung des Siedlungsbaus auf, der gegen internationales Recht verstoße und einer Zweistaatenlösung widerspreche. Feltman sagte, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sei "alarmiert" angesichts der neuesten Pläne, die "wieder einmal ernste Zweifel an Israels Willen wecken, dauerhaften Frieden zu erreichen". Feltman forderte eine Deeskalation und betonte, beide Seiten könnten sich nach dem Gaza-Krieg mit mehr als 2000 getöteten Palästinensern keine neue Verschärfung der Spannungen leisten.

Der israelische UN-Botschafter Ron Prosor wies jedoch Vorwürfe zurück, die Bautätigkeit würde den Frieden gefährden. Er warf den UN vor, eine palästinensische "Kampagne zur Verteufelung" seines Landes zu unterstützen. Zwar gebe es viele Sicherheitsrisiken im Nahen Osten, die israelische Siedlungspolitik gehöre ihm zufolge aber nicht dazu.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: