Nach Attacke auf Erdogan:Syrischer Schuhwerfer hofft auf Gnade

Drei Jahre soll ein syrischer Kurde in Spanien in Haft bleiben, weil er in Sevilla mit einem Schuh auf den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan geworfen hatte. Zwei Jahre hat er schon hinter sich - unangemessen lange, wie einige Beobachter finden. Zumal er nicht getroffen hatte.

Javier Cáceres, Madrid

Der Anwalt Luis Ocaña erinnert sich noch recht gut an den Tag, an dem er das Mandat von Hokman Joma übernahm. Beziehungsweise daran, dass Joma nur den linken Schuh trug. Den rechten Schuh - schwarz, Größe 44 - hatte die spanische Polizei sichergestellt, als Beweismittel. Denn Joma hatte mit ihm geworfen. Nach Recep Tayyip Erdogan, dem türkischen Ministerpräsidenten, der gerade in Sevilla zu Besuch war, und den er, der syrische Kurde Joma, einen "Mörder" und "Verbrecher" rief.

Knapp zwei Jahre ist das nun her, doch Joma, ein nun 28-jähriger Bauernsohn aus einem Dorf namens Kubani, sitzt noch immer im Gefängnis. Das ist eine ziemlich lange Zeit, erst recht, wenn man bedenkt, dass Erdogan unverletzt blieb, ja nicht mal getroffen wurde. Oder wenn man bedenkt, dass die spanische Regierung gerade erst eine Handvoll Polizisten begnadigt hat, die verurteilt worden waren, weil sie in Barcelona einen unschuldigen Rumänen (und dessen schwangere Frau) festgenommen und gefoltert hatten. Doch auch im internationalen Vergleich sind zwei Jahre eine ziemlich lange Zeit. Der irakische Journalist Muntadar al-Zaidi, der den schmähenden Schuhwurf weltberühmt machte, als er 2008 den früheren US-Präsidenten George W. Bush bewarf, wurde zwar wie Joma zu drei Jahren Haft verurteilt. Doch er blieb nur neun Monate hinter Gittern.

Joma selbst hat sich in einem Brief geäußert, den sein Anwalt schon vor knapp einem Jahr öffentlich gemacht hat. Seine Aktion sei impulsiv gewesen. Aber er hätte sich wohl sein ganzes Leben daran erinnert, wenn er damals nichts getan hätte: "Die türkische Regierung hat fünf Kriege gegen mein Volk initiiert, Tausende Frauen, Kinder und Alte umgebracht." Dass Joma, der keinerlei Vorstrafen hatte, einem so unerbittlichen Urteil unterworfen wurde, liegt an den Gesetzen, die auf ihn angewendet wurden. Er habe sich eines "Delikts gegen die internationale Gemeinschaft" in Form eines Attentats auf einen ausländischen Würdenträger schuldig gemacht. Die Polizei vermutete überdies, dass Joma Teil einer kurdischen Widerstandsgruppe war. "Das Problem ist, dass er wegen einer Norm verurteilt wurde, die angewendet wird, wenn jemand einen Ziegelstein oder ein Messer wirft. Ein Schuh ist im Gesetzbuch nicht vorgesehen", sagte Jomas Anwalt der Zeitung El País.

Er konnte sich immerhin damit trösten, dass er nicht nach Syrien ausgeliefert wurde. Und damit, dass beide Gerichte, die sich mit Jomas Fall bislang befasst haben, eingeräumt haben, dass die Strafe völlig unangemessen sei. Gleichwohl lasse das Gesetz keinen Spielraum, drei Jahre Haft seien das Minimum. Der Berufungsrichter regte an, angesichts der Maßlosigkeit der Justiz die Regierung um Begnadigung zu ersuchen. Der Antrag ist längst eingereicht, eine erste Antwort des Justizministeriums ist schon da: Man warte auf die einschlägigen Berichte des Gerichts.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: