Mutter Teresa:Geschichte einer Express-Heiligsprechung

  • Nicht einmal 20 Jahre hat der Heiligsprechungsprozess bei Mutter Teresa gedauert. Der konservative Papst Johannes Paul II. hatte das Verfahren eröffnet.
  • Vollziehen wird die Zeremonie Papst Franziskus. Er hat die Strukturen weltweiter Ungerechtigkeit stets angeprangert, Mutter Teresa sagte, sie interessierten sie nicht.
  • Trotzdem verbindet die beiden viel.

Von Matthias Drobinski

Es wird voll werden an diesem Sonntag auf dem Petersplatz in Rom. Was sonst? Die hutzelige Frau im blau-weißen Ordensgewand, die zu den Elenden und Sterbenden Kalkuttas ging, fasziniert auch heute viele Menschen. So wird die katholische Kirche also mit all ihrer Pracht und Zeichenmacht Mutter Teresa heiligsprechen und damit vollziehen, was viele Katholiken ohnehin denken: Die Frau war eine Heilige.

Nicht einmal 20 Jahre hat der Heiligsprechungsprozess gedauert - für eine Kirche, die da schon mal Jahrhunderte vergehen lässt, ist das sensationell schnell. Bereits zwei Jahre nach ihrem Tod statt der vorgeschriebenen fünf eröffnete Papst Johannes Paul II. das Verfahren. Im Oktober 2003 wurde Mutter Teresa seliggesprochen, nachdem ihr das erste Wunder zugesprochen worden war - eine Frau war vom Krebs geheilt, nachdem sie ein Amulett von Mutter Teresa auf ihren Bauch gelegt hatte. 2015 wurde dann das zweite Wunder anerkannt; der Weg zur Express-Heiligsprechung war frei.

Man kann die Eile mit der großen Verehrung Mutter Teresas erklären - aber auch mit den Absichten Papst Johannes Pauls II. Der "Engel von Kalkutta" passte perfekt in sein Konzept: Da kam eine tiefgläubige Frau aus einem lange kommunistisch regierten Landstrich und zeigte der Welt, was christliche Nächstenliebe ist - in Indien, wo die Christen nur eine Minderheit sind. Und sie vertrat auch noch den gleichen innerkirchlichen Konservatismus wie der Papst. In ihrer Friedensnobelpreis-Rede 1979 nannte sie die Abtreibung den "größten Zerstörer des Friedens". Sie hielt nichts von der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, die auch die Ursachen der Armut beseitigen wollte. Da spielte die Kritik an der Praxis in den Sterbehäusern des Ordens so wenig eine Rolle wie die Intransparenz bei den Finanzen; selbst Aufzeichnungen über die Glaubenszweifel der Ordensfrau (siehe nebenstehenden Bericht) hielten den Prozess nicht auf.

Zur schattenlosen Verklärung taugt Mutter Teresa nicht

Zur schattenlosen Verklärung taugt die neue Heilige heute nicht mehr so recht, nicht einmal mehr in der katholischen Kirche. Ihre Hilfswerke setzen nun darauf, dass die Armen ihrer Armut entkommen, durch Bildung, Kleinkredite, Solidarität untereinander - bei transparenten Finanzen. Die Mystifizierung der Armut und des Elends gilt auch theologisch als überholt. Und die Umwelt-Enzyklika "Laudato si'" von Papst Franziskus benennt klar die Strukturen weltweiter Ungerechtigkeit, von denen Mutter Teresa sagte, sie interessierten sie nicht.

Und doch gibt es auch eine große Nähe zwischen der Ordensfrau aus Kalkutta und dem Papst aus Argentinien. Mutter Teresa tat, was Franziskus von seiner Kirche fordert: Sie soll an die Ränder gehen, zu den Menschen in Not, zu den Elenden und Verzweifelten, dorthin, wo es unangenehm ist und stinkt. Kaum ein Mensch hat das so konsequent getan wie Mutter Teresa - mit Sicherheit wird Franziskus dies in den Mittelpunkt seiner Würdigung der neuen Heiligen stellen. Vielleicht sagt er auch noch, dass Heilige nicht perfekt sein müssen, dass sie sogar tiefe Zweifel haben können wie Mutter Teresa. Eine gläubig zweifelnde, fehlbare Heilige würde besser zu jener bescheidenen Kirche passen, die der Papst wünscht, als eine Heilige, die im Triumph verklärt wird.

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