Mutmaßlicher Attentäter von Boston:Amerika fahndet nach dem Motiv

Lesezeit: 2 min

Ermittlungen am Ort das Anschlags in Boston: Dem Verdächtigen droht eine Terroranklage (Foto: Reuters)

Was war das Motiv für den Anschlag auf den Boston-Marathon? Die zwei mutmaßlichen Attentäter haben nach ersten Ermittlungen allein gehandelt. Das FBI ging 2011 dem Verdacht nach, dass der getötete mutmaßliche Attentäter ein radikaler Islamist sei. Seinem Bruder droht eine Anklage wegen Terrorismus.

Nach der Festnahme des mutmaßlichen zweiten Bombenlegers von Boston beginnt die strafrechtliche Aufarbeitung des Anschlags. Die Anklage könnte erhoben werden, noch bevor der bei seiner Flucht schwer verletzte mutmaßliche Attentäter Dschochar Zarnajew aus dem Krankenhaus entlassen wird. Zarnajews Zustand sei "ernst, aber stabil", sagte der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick: "Wir hoffen, dass der Verdächtige überlebt, denn wir haben eine Million Fragen, die beantwortet werden müssen."

US-Medienberichten zufolge bereitet das US-Justizministerium gegen Zarnajew eine Anklage wegen Terrorismus vor. Außerdem könnte der 19-Jährige vom Bundesstaat Massachusetts wegen Mordes angeklagt werden. Den Angaben zufolge befinden sich Staatsanwälte in der Klinik im Bostoner Vorort Cambridge, in dem der Verdächtige behandelt wird. Sein Zustand ist weiter ernst. Er habe eine Verletzung am Hals erlitten und sei noch nicht in der Lage zu sprechen, berichtete der Nachrichtensender CNN am Sonntag unter Berufung auf einen Bundesbeamten.

Dschochar Zarnajew soll am Montag gemeinsam mit seinem 26-jährigen Bruder Tamerlan einen Doppel-Anschlag auf den Bostoner Marathon verübt haben. Dabei wurden drei Menschen getötet und etwa 180 weitere verletzt. Auf ihrer Flucht sollen die aus einer tschetschenischen Familie stammenden Brüder einen Polizisten erschossen und einen weiteren Beamten schwer verletzt haben. Tamerlan Zarnajew starb nach einem Schusswechsel mit der Polizei.

Nach Informationen des TV-Senders CNN hat die Polizei dem Festgenommenen bisher nicht seine Rechte vorgelesen. Dies sei aber in besonderen Fällen möglich. Welche Höchststrafe Dschochar droht, hängt davon ab, ob er nach Landes- oder Bundesrecht angeklagt wird: Massachusetts kennt keine Todesstrafe, die USA als Bundesstaat aber schon.

Attentäter handelten wohl allein

Die republikanische Senatoren John McCain und Lindsay Graham forderten, Dschochar Zarnajew als "feindlichen Kämpfer" einzustufen. Damit hätte der Verdächtige den gleichen Status wie die Terrorverdächtigen, die in dem umstrittenen US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba inhaftiert sind. Rechtsexperten halten das aber für nicht möglich, weil der Verdächtige die US-Staatsbürgerschaft hat.

Die Ermittler konzentrieren sich nun auf die Suche nach einem Motiv für die Tat. Das FBI hatte Tamerlan bereits 2011 als "radikalen Islamisten" im Visier - ohne Hinweise auf terroristische Aktivitäten zu finden. Damals wurde Zarnajew auf Wunsch einer ausländischen Regierung überprüft, wie die Bundespolizei mitteilte. Das Ersuchen habe sich auf Informationen gestützt, wonach Tamerlan sich von 2010 an drastisch verändert habe. Er habe Vorbereitungen getroffen, die USA zu verlassen, um sich nicht näher beschriebenen Untergrundgruppen in besagtem Land anzuschließen, hieß es. Das FBI überprüfte ihn damals, sprach auch mit ihm selbst und Familienangehörigen.

Die Polizei hatte nach eigenen Angaben zunächst keine Hinweise auf Mittäter. "Nach dem, was wir wissen, waren sie allein", sagte der Polizeichef von Watertown, Edward Deveau.

US-Präsident Barack Obama lobte nach der Festnahme in einer kurzen Rede im Weißen Haus die Arbeit der Sicherheitsbehörden und kündigte lückenlose Aufklärung an. Bei der Ermittlungen wollen Russland und die USA eng zusammenarbeiten. Bislang allerdings habe Moskau noch keine wertvollen Hinweise liefern können, meldete die Agentur Interfax am Samstag unter Berufung auf Sicherheitskreise.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/fran - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: