Muslimisches College in den USA:Mit dem Koran auf den Campus

Amerika diskutiert über den Bau einer islamischen Kultur- und Begegnungsstätte nahe Ground Zero in New York. Mitten in die überhitzte Atmosphäre hinein öffnet nun das erste muslimische College der USA. Für die einen ist es ein richtiger Schritt - für die anderen ein Vorbote der Scharia.

P. Barbera, Berkeley

Der Frage folgt ein langes Schweigen. Ob sie sich als Muslima hier immer noch willkommen fühlt? Faatimah Knight legt den Kopf in ihre linke Hand, zupft an ihrem sanddornfarbenen Kopftuch und blickt auf den Boden. "Die Menschen wissen hier sehr wenig über den Islam und oft sind ihre Informationen falsch oder sie haben sie gegoogelt. Ich hoffe, dass ich durch mein Studium etwas dagegen tun kann und der Hass sich nicht weiter ausbreitet."

First Four-Year Muslim Liberal Arts College Opens In U.S.

Zwei der 15 Studenten am Zaytuna College, das vor einer Woche eröffnet wurde. "Unser Ziel sind professionelle Islamwissenschaftler, die in der Lage sind, muslimische Gemeinden hier im Land zu leiten", sagt Gründer Hamza Yusuf.

(Foto: AFP)

Seit in den Medien über ein geplantes muslimisches Gemeindezentrum in Manhattan berichtet wurde, das auch eine Moschee beinhalten soll, wird in den USA eine hoch emotionale Debatte über Religionsfreiheit geführt. Das ganze Land diskutiert die Frage, ob Muslime nur zwei Blocks von Ground Zero entfernt beten dürfen - bei Protestkundgebungen werden Muslime wüst beschimpft. Wenige Tage später löste die Meldung über einen Messerangriff auf einen New Yorker Taxifahrer im ganzen Land Betroffenheit aus. "Bist du Muslim?", hatte der 21-jährige Fahrgast seinen bengalischen Taxifahrer gefragt, bevor er zustieß und ihm lebensgefährliche Wunden zufügte.

Mitten hinein in diese für Muslime angespannte Situation fällt also die Eröffnung der ersten muslimischen Universität der Vereinigten Staaten. Das Zaytuna College wirbt mit dem Slogan "Where Islam meets America". Den Gründern der Hochschule schwebt eine Ausbildung vor, die an der Schnittstelle zwischen dem Selbstverständnis als Muslim und Amerikaner eine wissenschaftlich fundierte Herangehensweise an den Islam ermöglichen soll. Derzeit können die Studenten zwischen zwei Hauptfächern wählen: Islamisches Recht und Theologie sowie Arabisch.

Die 18-jährige Faatimah Knight, die ihren Highschool-Abschluss in Manhattan gemacht hat, studiert seit einer Woche am Zaytuna College. Sie möchte nach ihrem Abschluss Journalistin werden und Bücher schreiben, um den Menschen mehr über ihren Glauben mitzuteilen. "Ich denke, Hass entsteht nur dann, wenn falsches Wissen kursiert und die Menschen Angst haben vor dem Fremden."

Dies ist ganz im Sinne von Gründer Hamza Yusuf. Er sagte zur Eröffnungsfeier: "Wir hatten schon lange den Traum, eine Institution zu gründen, die islamische Lehrer ausbildet, die auch in der amerikanischen Kultur zu Hause sind und diese verstehen. Unser Ziel sind professionelle Islamwissenschaftler, die in der Lage sind, muslimische Gemeinden hier im Land zu leiten." Derzeit sei es noch Praxis, für die muslimische Ausbildung in Amerika Imame aus Ländern wie Pakistan oder Ägypten anzuwerben, denen die amerikanische Kultur total fremd sei. In den nächsten zehn Jahren sollen nach dem Willen der Gründer mehr als 2000 junge Menschen ausgebildet werden.

"Berkeley ist eine offene Stadt, wir haben Glück"

Die ersten 15 Studenten haben vor einer Woche am Zaytuna College mit dem Studium begonnen, davon neun Frauen und sechs Männer. Sie alle eint der muslimische Glaube. Alter, Lebenslauf und Herkunft sind jedoch sehr unterschiedlich. "Ich habe meinen Bachelor in Mathematik in Ohio gemacht, mich aber schon immer auch für den Islam als Religion interessiert", erzählt der 35-jährige Adman Alan. Nach seinem Abschluss würde er gerne eine muslimische Gemeinde leiten.

Auch Faatimah Knight kam über das Interesse am Islam auf den Studiengang, ihre Hauptfächer sind Theologie und Arabisch. Um die Sprache fließend zu beherrschen, belegten 13 der 15 Studienanfänger vor dem offiziellen Semesterbeginn einen von der Universität angebotenen Intensivkurs. "Ich bin total begeistert. Man spürt den Enthusiasmus der Lehrer hier und weiß, dass was man macht, einzigartig ist im ganzen Land und man einen neuen Weg gehen kann", sagte Knight nach der ersten Unterrichtsstunde.

Der erste Vorlesungstag wurde aber nicht nur von den Studenten mit Spannung erwartet. Zwei Polizisten gingen das Gelände vor dem Vorlesungssaal immer wieder ab. Durch die medialen Anfeindungen gegenüber Muslimen im ganzen Land war nicht klar, wie die Reaktionen zu Semesteranfang in Berkeley ausfallen würden. Doch die Lage blieb ruhig.

Im Gebäude befinden sich nicht nur das Zaytuna College, sondern auch Räume einer baptistischen Gemeinde und eine Außenstelle der University of California Berkeley. Diese bot ebenfalls eine Willkommensveranstaltung für ihre Studienanfänger an und so wimmelte es auf dem sonnigen Hinterhof vor den Vorlesungssälen von neuen Studenten aus dem ganzen Land.

Die Zaytuna-Schützlinge fallen kaum auf, als sie in der Mittagspause den Koran lesen und in Gespräche miteinander vertieft sind. Eine Studentin trägt ein dunkelblau gemustertes Kopftuch, eine andere keine Kopfbedeckung, dafür glitzernde Ohrringe und silberne Sandalen. Sie alle sind in Amerika aufgewachsen und unterhalten sich auf Englisch. Als Ramy Salah, Studienkoordinator und Ansprechpartner für die Studenten, an der Gruppe vorbeigeht, ruft eine der Studentinnen "Salam aleikum" und winkt. "How are you?", erwidert Salah lächelnd und verabschiedet sich in die Mittagspause.

Die Studenten selbst sind leicht angespannt, sehen der Zukunft der Universität jedoch positiv entgegen: "Natürlich trifft mich die Debatte in New York auch persönlich als Muslima, aber ich selbst wurde zum Glück noch nie angefeindet. Ich hoffe, das bleibt so", sagt Faatimah Knight.

"Berkeley ist eine sehr offene Stadt, wir haben Glück", sagt Salah in einem späteren Gespräch mit sueddeutsche.de. Die Reaktionen vor Ort seien sehr positiv gewesen und auch schon wie beim Streit in New York habe es nicht nur Proteste gegen, sondern auch für die muslimischen Institutionen gegeben. Auch Imam Zaid Shakir, der an der Universität Theologie unterrichtet, blickt hoffnungsvoll in die Zukunft: "Zaytuna wird ein Meilenstein sein für die Beziehung zwischen der muslimischen Seite und anderen Glaubensgemeinschaften in den Vereinigten Staaten."

Rechte Medien schlagen Alarm

Einige rechte Medien und Blogautoren sehen das anders. "Sharia comes to the US" lautete eine beliebte Schlagzeile. Und bei Fox News, dem ultrakonservativen Fernsehsender von Rupert Murdoch, fragten die Reporter provokant: "Wird dieses College seine Studenten unterrichten oder als Terroristen schulen?" Wie schon beim Streit um das Gemeindezentrum in New York kamen Spekulationen auf über die Gründer, deren Intentionen und eventuelle Verbindungen zu islamischen Fundamentalisten. Vor allem Hamza Yusuf, Gründer des Zaytuna College, geriet ins Kreuzfeuer - und gab Anlass für Spekulationen.

First Four-Year Muslim Liberal Arts College Opens In U.S.

Unterricht in islamischem Recht, Theologie und Arabisch: Die 15 Studenten können aus verschiedenen Hauptfächern wählen. Geht es nach den Gründern der Universität, sollen in den kommenden zehn Jahren mehr als 2000 Studenten am Zaytuna College ausgebildet werden.

(Foto: AFP)

Von muslimischer Seite wird der 50-jährige Amerikaner dafür bewundert, dass er im Alter von 17 Jahren zum Islam konvertierte. Kritiker stellen ihn oft als terroristischen Schläfer dar. "Vor dem 11. September war Yusuf ganz klar ein starker Unterstützer eines radikal islamischen Programms in Amerika", führt Frank Gaffney, Gründer der Lobbygruppe Center for Security Policy, im Gespräch mit dem Sender Fox News aus. "Gleich nach dem 11. September sind deshalb auch Polizisten in sein Haus, um ihn zu befragen." Doch Yusuf wurde an diesem Tag bereits im Weißen Haus befragt - als Sprecher der Muslime in Amerika.

Nach den Anschlägen am 11. September hatte sich Yusuf mehrmals öffentlich gegen den Dschihad und islamistische Terroristen ausgesprochen und an mehreren Büchern zum Thema mitgearbeitet. In muslimischen Kreisen gilt er bis heute als gemäßigt, liberal und durch seinen Einsatz für einen interreligiösen Austausch als sehr populär. Die Zeitung Egypt Today nennt ihn den Elvis Presley der westlichen Muslime. Diese Gründe veranlassten auch George W. Bush, Yusuf ins Weiße Haus einzuladen. Doch Blogs mit Namen wie creepingsharia, rightsidenews oder citizenwarrior befürchten einen Vormarsch der Scharia in Amerika und hinterfragen die Quellen der Finanzierung des Colleges.

"Jetzt ist unsere Chance, unseren Glauben besser zu erklären"

"Würde es um eine Kirche oder eine Synagoge gehen, würde kein Mensch nach der Finanzierung fragen", äußerte sich zum Streit in Manhattan Michael Bloomberg, Bürgermeister der Stadt New York, in der amerikanischen Comedy- und Talkshow The Daily Show. "Das Thema wird jetzt nur diskutiert, weil die Wahlen bevorstehen. Es handelt sich hierbei ganz einfach um den Wunsch einiger Leute nach Publicity. Es ist ein Versuch zu polarisieren, um Stimmen zu kriegen."

Hamza Yusuf beobachtet die Diskussion in den Medien mit Sorge: "Der Islam ist eine gute Zielscheibe. Es ist hier immer noch politisch korrekt, sich vorurteilsvoll zu äußern", sagte er dem Nachrichtensender CNN. Auch das Time Magazine stellt in seiner aktuellen Ausgabe die Frage "Is America Islamophobic?"

Währenddessen wütet der Streit nicht nur in New York, sondern jüngst auch in Tennessee, im Süden der USA. Eine muslimische Gemeinde hatte bekanntgegeben, ihr Gemeindezentrum, das seit Jahren besteht, durch eine Moschee zu erweitern. Am vergangenen Wochenende wurde an der Baustelle ein Bagger mit Brandbeschleuniger übergossen und angezündet. Einen Tag später fielen Schüsse. Nun ermittelt das FBI.

"Ich kann verstehen, wieso die Menschen Angst haben. Es kursieren viele beängstigende Geschichten über die Scharia und das Recht der Frauen im Islam", sagt der Zaytuna-Student Adman Alam. "Jetzt ist unsere Chance, uns und unseren Glauben besser zu erklären. Verpassen wir diese Chance, werden wir in Schubladen gesteckt und die Situation eskaliert."

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