Muslimische Minderheit der Uiguren:Wie die Gewalt im Westen Chinas entsteht

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Bei einem Anschlag in Xinjiang sterben 31 Menschen. Die chinesische Regierung macht erneut uigurische "Terroristen" verantwortlich. Stecken tatsächlich islamistische Extremisten dahinter? Welche Rolle spielen die Spannungen zwischen muslimischer Minderheit und Han-Chinesen? Antworten auf wichtige Fragen.

Am Donnerstag sterben bei einem Angriff auf einen Markt in der Provinz Xinjiang 31 Menschen. Die chinesische Regierung macht "Terroristen" verantwortlich. In der Region kommt es immer wieder zu Gewalttaten mit vielen Toten. Für Peking sind sie das Werk von Separatisten mit Kontakten zum islamistischen Terror. Die muslimischen Uiguren selbst fühlen sich von der Bevölkerungsgruppe der Han-Chinesen diskriminiert.

Warum kommt es in der Region Xinjiang zu ethnischen Spannungen?

In der Autonomen Region Xinjiang leben nach Regierungsangaben etwa 22 Millionen Menschen. Die beiden größten Bevölkerungsgruppen sind die Uiguren (8,4 Millionen), ein muslimisches Turkvolk, und die Han-Chinesen (10,4 Millionen). Nach der Machtübernahme 1949 hatten sich die chinesischen Kommunisten das ehemalige Ost-Turkestan einverleibt. Nun sind die Uiguren in ihrer eigenen Region zu einer Minderheit geworden, denn die chinesische Regierung lockt mit finanziellen Anreizen immer mehr Han-Chinesen in das rohstoffreiche Gebiet (Erdgas, Erdöl, Kohle) im Westen des Landes.

Was Chinas Regierung als den Versuch einer wirtschaftlichen Entwicklung der Region verstanden wissen will, begreifen die Uiguren als Angriff auf ihre Identität. Sie fühlen sich gegenüber den Han-Chinesen benachteiligt und an den Rand gedrängt. Es gibt keine Religionsfreiheit und kein gerechtes Bildungssystem. Han-Chinesisch ist auch an uigurischen Universitäten, Schulen und Kindergärten die offizielle Sprache.

Welche Zwischenfälle gab es in der jüngeren Vergangenheit?

Im April starben bei einer Explosion auf einem Bahnhof in Urumqi, der Hauptstadt Xinjiangs, zwei Attentäter und ein Zivilist, 79 Menschen wurden verletzt. Auch in anderen Regionen Chinas kam es zu Anschlägen.

Im März wurden bei einem Angriff im Bahnhof von Kunming im Süden Chinas mindestens 29 Menschen getötet und mehr als 130 weitere verletzt, als mit Messern bewaffnete Männer in die Halle stürmten und Passanten niederstachen. Auch hier machte die Regierung Uiguren verantwortlich.

Vor zwei Wochen nahm die chinesische Polizei 230 Menschen in Xinjiang unter dem Vorwurf der "Verbreitung von Terrorismus" fest. Und nun starben bei den Bombenanschlägen auf einen Markt in der Provinzhauptstadt Urumqi 31 Menschen, darunter viele ältere.

Diese Taten zeigen: Die Gewalt bleibt nicht länger auf Xinjiang begrenzt. Und während bis zum vergangenen Jahr Polizei- und Sicherheitskräfte angegriffen wurden, werden nun auch Unbeteiligte zu Opfern.

Welche Ziele verfolgen die Uiguren?

Von Seiten der Regierung werden uigurischen Gruppen terroristische Bestrebungen nachgesagt. Diese wollten die "Einheit der Ethnien" sabotieren und die "soziale Stabilität" unterwandern. Ihnen wird auch vorgeworfen, eine extremistische religiöse Ideologie zu verfolgen. Teils wird den Aktivisten eine Verbindung zum Terrornetzwerk al-Qaida nachgesagt, zum Beispiel der Islamistischen Partei Ost-Turkestans. Die Exilorganisation "Weltkongress der Uiguren" mit Sitz in München wird von der chinesischen Regierung als Helfer der Terroristen betrachtet.

Eine Verbindung zwischen einem globalen Dschihad und Anschlägen in Xinjiang wurde allerdings nie nachgewiesen. Da die Region stark überwacht und militarisiert ist, gibt es für Journalisten und unabhängige Beobachter kaum Möglichkeiten, die Hintergründe von Anschlägen zu überprüfen. Aus der Sicht von Bürgerrechtlern und westlichen Diplomaten handelt es sich bei der Gewalt oft um lokale Konflikte und nicht um geplante Terroranschläge.

Der uigurische Wissenschaftler Iham Tothi sagte im Herbst 2013: "Zur Gewalt kommt es dann, wenn einem alle anderen Möglichkeiten, Gehör zu finden, genommen sind."

Wie geht die chinesische Regierung mit der Situation um?

Erst am Mittwoch hatte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zum Kampf gegen die "drei bösen Kräfte" Separatismus, Extremismus und Terrorismus aufgerufen. Dazu zählt Peking auch den uigurischen Separatismus oder Widerstandskräfte in Xinjiang. Kritiker werfen Peking vor, die von Uiguren ausgehende Bedrohung aufzubauschen, um damit ein hartes Vorgehen gegen Aktivisten aus der Region zu rechtfertigen.

Nach dem Anschlag vom Donnerstag kündigte Xi an, "die Terroristen hart zu bestrafen und keine Bemühungen zu unterlassen, die Sicherheit zu gewährleisten". Noch hat das Polizeiministeriuim in Peking allerdings keine mutmaßlichen Täter benannt.

© Süddeutsche.de/AFP/Reuters/dpa/mane - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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