Museen:Im Zweifel für die Freiheit

Über Kunst muss gestritten werden. Ausstellungsverbote sind falsch.

Von Kia Vahland

Über Kunst lässt sich streiten. Es muss auch über sie gestritten werden, sonst ist sie tot. Dabei geht es um Inhalte und Formen und darum, ob ein Werk etwas aussagen kann über die Zeit, in der es entsteht oder betrachtet wird. Nicht streiten lässt sich in demokratischen Gesellschaften dagegen darüber, ob es diese oder jene Kunst geben darf oder ob man sie ausstellen darf. Man darf.

Deswegen ist die Entscheidung der National Gallery in Washington befremdlich: Das Museum hat erstmals eine geplante Ausstellung abgesagt, weil der Künstler, Chuck Close, sich anzüglich bis derbe gegenüber Frauen geäußert hat, die er porträtieren wollte. Der im Rollstuhl sitzende Amerikaner bestreitet nicht, sich im Ton vergriffen zu haben. Er betont aber, dass er die Frauen nicht körperlich bedrängt habe. Dies wirft ihm auch keine Betroffene vor. Nun gehören Aktmalerei und -fotografie zur Kunstgeschichte wie die Farbtupfer auf die Leinwand. Sie einzuschränken, führt die notwendige "Me Too"-Debatte über männlichen Machtmissbrauch im Kulturbetrieb in die Irre. Niemand muss sich im Atelier ausziehen, und ein Künstler, der Modelle unverschämt behandelt, schadet nur dem eigenen Werk.

Verbote vertragen sich nicht mit der Kunstfreiheit. Denn wer will künftig entscheiden, was erlaubt ist und was nicht? Stattdessen tut es not zu diskutieren, welche Kunst und welche Bilder des Eros zeitgemäß sind, was Künstler und Betrachter heute noch emotional und intellektuell anspricht und was nicht.

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