Münchner Sicherheitskonferenz:Gabriels kluge Worte verpuffen

54. Münchner Sicherheitskonferenz

Sigmar Gabriel spricht auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

(Foto: dpa)

Der deutsche Außenminister hält in München die luzideste Rede der ganzen Konferenz. Aber sein eigentlicher Adressat sind nicht die Diplomaten und Außenpolitik-Experten, sondern die Führungsriege der SPD.

Kommentar von Stefan Kornelius

Zwei Typen von Reden stechen auf der Sicherheitskonferenz in diesem Jahr heraus. Die einen, weil sie nicht gehalten werden. Die anderen, weil sie gehalten werden, allerdings für ein Publikum, das zumindest nicht im Saal sitzt. Für die erste Kategorie steht der amerikanische Verteidigungsminister James Mattis, für die zweite der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel. Beide Politiker sind symptomatisch für das Dilemma, das allenthalben auf dieser Konferenz beklagt wird: es gibt kein Zentrum mehr, keinen Gravitationspunkt.

Mattis verkörpert das Führungsvakuum ganz besonders, weil es vor allem ein amerikanisches Vakuum ist. Dies war wohl die erste Münchner Sicherheitskonferenz, auf der nicht ein einziger US-Minister das Wort ergriff. Mattis, der Zurückhaltende, sitzt zwar im Saal, aber schweigt. Auch das ist ein Statement.

Die stille Präsenz ist symptomatisch für den neuen amerikanischen Isolationismus. America first heißt eben doch immer mehr: America alone, auch wenn Präsident Trump das bestreitet. Wer wie Mattis darauf verzichtet, seine Deutung der weltpolitischen Strömungen zu verbreiten, muss sich nicht wundern, wenn diese Ströme sich eine neue Fließrichtung suchen.

Sigmar Gabriel steht für eine andere Tragik. Der deutsche Außenminister hielt die luzideste Rede dieser Konferenz, ein aufrüttelnder Appell an den verzagten Westen, eine deutliche Abmahnung an China, eine von strategischer Kenntnis und hohem Realismus gezeichnete Zustandsbeschreibung der Welt.

Allein, Gabriel kann dem Problem nicht entrinnen, dass all seine Worte einen Untertitel tragen: "Nehmt mich wieder als Außenminister, ich kann es doch am besten", steht da. Sein Adressat ist die Führungsriege der SPD, die sich über sein Schicksal einig ist. Sie will ihn nicht mehr im Ministeramt haben. Zu viel Schaden hat auch Gabriel im abgelaufenen Jahr angerichtet.

In seiner Rede hat Gabriel entgegen aller Koalitionsabsprachen den Satz eingebaut, dass er die Russland-Sanktion für ein bisschen Entgegenkommen im Donbass zu lockern bereit wäre. Aber warum lässt er dann das Treffen der Ukraine-Gruppe platzen, das sogenannte Normandie-Format, das jede Aufmerksamkeit verdient hätte? Seit Monaten wartet die Ukraine auf diese Begegnung der fünf zentralen Akteure im Ukraine-Russland-Konflikt. Stattdessen jettet der Minister schnell mal nach Berlin, um in der Redaktion der Zeitung Die Welt die Siegesdividende im Fall Yücel einzustreichen. Das ist Gabriel wie er leibt und lebt. Und das ist der Grund, warum seine Worte ebenso verpuffen werden, wie die Rede, die ein James Mattis nie gehalten hat.

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