Münchner Sicherheitskonferenz:Die Welt wartet auf Deutschland

Köpfe der Sicherheitskonferenz

Die Erwartung der mehr als 20 Staats- und Regierungschefs an Deutschland ist, nicht weiter zur Verknappung des Guts Verlässlichkeit beizutragen.

(Foto: dpa)
  • Viele Staats- und Regierungschefs erwarten, dass Deutschland sobald wie möglich eine stabile Regierung bildet.
  • Bei der Sicherheitskonferenz in München bleibt es unter anderem dem kommissarischen Außenminister Gabriel überlassen, die Weltgemeinschaft um Geduld zu bitten.
  • Vor allem bei den Verteidigungsausgaben erwarten die europäischen Partner eine Einhaltung der deutschen Zusagen.

Von Daniel Brössler und Mike Szymanski

Außenpolitik gibt es auch in Zeiten ohne ordentliche Regierung, aber natürlich fehlt ihr was. Ihr Manko ist fehlende Verlässlichkeit. Sigmar Gabriel, derzeit geschäftsführend im Amt des Außenministers, bekommt das zu spüren, wo er in diesen Tagen auch auftritt. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić fasste das an der Seite Gabriels diese Woche in Belgrad in einer knappen Formel zusammen: "Wenn Deutschland keine Regierung hat, dann haben wir mehr Probleme in Europa."

Die warnenden Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Neujahrstag, die Welt würde nicht auf Deutschland warten, stimmen ja nicht ganz. Die Welt wartet schon, aber mit zunehmender Ungeduld. Die Folgen sind seit Freitag auch beim Gipfel der Außen- und Sicherheitspolitiker zu besichtigen, wenn wieder mehr als 20 Staats- und Regierungschefs, etwa 40 Außen- und genauso viele Verteidigungsminister bei der Sicherheitskonferenz versammelt sind. Nur Merkel fehlt, was natürlich auch ein Statement ist.

Gabriel und von der Leyen müssen die Welt um Aufschub bitten

So bleibt es Gabriel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen überlassen, die globale Gemeinschaft noch mal um Aufschub zu bitten. "Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind derzeit anscheinend die knappsten Güter in der internationalen Politik", wird Gabriel laut Redemanuskript an diesem Samstag sagen, womit er wohl nicht die Lage in Berlin meint, jedenfalls nicht direkt. Es beschreibt eine Welt mit Donald Trump im Weißen Haus und einer Nato, in der sich Türken und Amerikaner fast feindselig gegenüberstehen. Syrien, der Irak, Jemen, Korea, Afghanistan - UN-Generalsekretär António Guterres zeichnet in München die Karte der nicht enden wollenden Konflikte. "Wir finden den ganzen Nahen Osten als Chaos vor", sagt er. Diese Welt ist es, in der Deutschland sich um sich kümmert.

Nun ist Außenpolitik ein Geschäft mit Erwartungen. Die Erwartung an Deutschland ist, nicht weiter zur Verknappung des Guts Verlässlichkeit beizutragen und dass die Zeit der Wirren in der größten Volkswirtschaft der EU bald ein Ende findet. Er glaube, dass "die deutsche Demokratie sich nach dem schwierig zu interpretierenden Wahlergebnis in eine Richtung bewegt, die sicherstellt, dass es demnächst eine handlungsfähige deutsche Bundesregierung geben wird", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jüngst.

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist "absolut sicher, dass Deutschland eine gute Regierung haben wird". Interessiert, aber noch nicht wirklich nervös, erleben die Deutschen dieser Tage ihre internationalen Gesprächspartner. Der positive Ausgang des SPD-Mitgliederentscheids Anfang März ist gewissermaßen schon eingepreist. Wie an der Börse wird es richtig schwierig, wenn Erwartungen enttäuscht werden. Was, wenn das SPD-Votum anders ausgeht als gedacht? An Börsen fallen in solchen Fällen die Kurse. Oft sehr tief.

Der Nato-Gipfel schafft ein Gefühl der Sicherheit - trotz Trump

Die Annahme aber ist, dass in diesem Jahr, in dem in Europa entscheidende Weichen gestellt werden sollen, der Fahrplan doch noch zu halten sein wird. Ende März beim EU-Gipfel in Brüssel mit deutsch-französischen Vorschlägen für den Euro, im Juni mit Kompromissen im Migrationsstreit und im Juli dann mit einem Nato-Gipfel, der ein Gefühl der Sicherheit schafft trotz Donald Trump.

"Wir brauchen einen europäischen Moment", wird Gabriel mahnen. Das sei nicht nur so, "weil Europa unser bestes Instrument zur Selbstbehauptung in einer Welt des Wettbewerbs ist, sondern vor allem auch, weil es unserer tiefen Überzeugung entspricht, auf Kooperation anstatt auf Konfrontation zu setzen". Deutschland werde "massiv in die Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit Europas investieren und dazu beitragen, dass Europa als starker Pol seine Interessen vertreten kann".

Große Erwartungen an Deutschland bei der EU-Verteidigungspolitik

Die noch nicht besiegelte schwarz-rote Koalition präsentiert sich in dieser Hinsicht bei der Sicherheitskonferenz einig, wenn auch in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. "Es geht um ein Europa, das auch militärisch mehr Gewicht in die Waagschale werfen kann", sagt Verteidigungsministerin von der Leyen. Das sei die "europäische Zukunftsaufgabe" und erfordere den Willen, militärisches Gewicht "auch tatsächlich einzusetzen, wenn es die Umstände erfordern".

Und sie bekennt sich zur von der SPD nur zähneknirschend akzeptierten Zusage der Nato-Staaten, bis 2024 Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzustreben. "Deutschland steht zu seinen Vereinbarungen in der Nato", verspricht von der Leyen, gibt aber auch zu, wie weit Deutschland von diesem Ziel mit einem Wert von kaum mehr als 1,2 Prozent entfernt ist. Als Neuerung preist die Ministerin, dass im Koalitionsvertrag die Erhöhung von Rüstungsausgaben an mehr Entwicklungshilfe gekoppelt ist. Aber auch das bleibt erst einmal eines der Versprechen, die noch von einer neuen Regierung gedeckt werden müssen.

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly wird in dieser Hinsicht ziemlich deutlich. "Eine robuste europäische Verteidigung beginnt mit Anstrengungen zu Hause", sagt die Ministerin und verweist auf die Zusage von Präsident Emmanuel Macron, die Verteidigungsausgaben bis 2025 auf zwei Prozent der Wirtschaftskraft zu erhöhen. Die Europäer müssten unabhängig von den Amerikanern in der Lage sein, militärisch zu intervenieren, fordert sie und blickt da dezidiert in Richtung der deutschen Gastgeber. Von ihnen erwartet sie eine Antwort. Und nicht nur sie.

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