Münchner Sicherheitskonferenz:Basar der Stimmungen

In der Außenpolitik zählen vor allem persönliche Beziehungen. Erst Vertrauen und Sicherheit können zu greifbaren Ergebnissen führen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz kommt es daher zuallererst auf den Ton an - und der ist bemerkenswert harmonisch.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Außenpolitik ist zuerst ein Geschäft auf Vertrauen. Oder wie der amerikanische Vizepräsident Joe Biden sagte: eine Frage der persönlichen Beziehungen. Der legendäre Speaker im US-Repräsentantenhaus Tip O'Neill sagte immer: Alles ist Lokalpolitik. Biden sagt: Alles ist persönlich. Beides ist richtig im Geschäft der Nationen. Wer sein Dorf, seine Stadt, sein Landkreis, seine Nation nicht hinter sich weiß, der kann keine Entscheidungen für die Welt treffen. Und weil die Zahl der Entscheider in der Weltpolitik eher überschaubar ist, kommt es stärker als in vielen anderen Bereichen der Politik darauf an, dass die Chemie stimmt und das Vertrauen da ist.

Für das Vertrauen braucht es nicht nur warme Worte, sondern auch Sicherheit. Eine Zeit lang waren die Europäer sehr unsicher in der Frage, ob sie weiterhin mit der Aufmerksamkeit und im Zweifel der Hilfe der USA rechnen können. Ein Abschied Amerikas von seiner Rolle als europäische Macht wäre von so gewaltiger strategischer Bedeutung, dass die Spekulationen eigentlich albern und unpolitisch waren. Und dennoch hatte das Vertrauen gelitten, weshalb die wichtigste Botschaft des US-Vizepräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz war: Wir können es uns gar nicht leisten, Europa abzuschreiben. Wir sind im Kern Europäer, wir brauchen Europa, und Europa braucht uns - für seine eigene Stabilität, für seine Friedensbemühungen in Afrika und Nahost und selbst in Ostasien.

Vielleicht ist weniger vorerst mehr

Außenpolitik leidet am meisten darunter, dass sie sich in hehren Erklärungen und großartigen strategischen Analysen erschöpft. Was fehlt ist die Tat, das greifbare, messbare Ergebnis. Wie in der Lokalpolitik: Wenn die Umgehungsstraße nicht gebaut wird, dann hat der Bürgermeister ein Problem. Deswegen muss Bidens Wort nun die Tat folgen. Freihandel ist ein schwieriges Terrain, wenn es um die Feinheiten, um Subventionen, Zollbarrieren und Standards bei Umwelt, Arbeitsrecht oder technische Normen geht. Auch hier gilt: Vielleicht ist weniger zunächst mehr. Ein erster Schritt, eine Verabredung mit Teilen der Eurozone, der auch die Demokraten im Kongress zustimmen können, denen die Gewerkschaften im Nacken sitzen - das wäre ein Anfang.

Zweite Option: Afrika. In der EU hat die Außenbeauftragte Catherine Ashton eine Marktlücke erkannt und koordiniert nun mit wachsendem Erfolg europäische Programme in Somalia und hoffentlich auch bald in Mali. Gekoppelt mit den US-Interessen entstünde da eine veritable Macht. Nächste Chance: Iran. Das amerikanische Verhandlungsangebot wurde von den Europäern vorbereitet, die Rollenverteilung ist abgestimmt, Russlands Außenminister Lawrow war in München bemerkenswert konziliant - siehe oben: es geht um Vertrauen und persönliche Beziehungen. Und natürlich um Interessen: Auch Russland stellt fest, dass die Gezeiten der Weltpolitik ungünstig stehen. Der Hebel Energiepreis wird wirkungslos, in Syrien hat sich Moskau vergaloppiert. Rette, wer kann.

München ist ein Basar der Stimmungen. Wer Sensationen erwartet, versteht nichts von Außenpolitik. Da kommt es auf Schwingungen an, auf den Ton. Nicht auf den Radau. Der Klang von München 2013 ist bemerkenswert harmonisch. Die Beziehungs-Börse funktioniert noch.

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