Münchner CSU:Die Hoffnungsträgerin verliert ihren Zauber

Sie sollte aufräumen in der Münchner CSU, doch Monika Hohlmeier verheddert sich in den Seilschaften - und in den Netzwerken ihres Bruders.

Von Peter Fahrenholz

Vieles an Monika Hohlmeier erinnert unwillkürlich an ihren Vater Franz Josef Strauß. Die Stimme, die Eigenart, auf den Zehenspitzen zu wippen oder den Kopf vorzustrecken, wenn sie etwas besonders betonen will. Das Talent, Kritiker schlagfertig bis an die Grenze zur Unverschämtheit abzukanzeln.

Die bildhafte, volkstümliche Sprache. Dass sie glückselige Erinnerungen an den großen Franz Josef auszulösen versteht, darauf beruht ein Großteil der Popularität von Monika Hohlmeier in der CSU. So, als ab man eine Art Light-Version von Strauß haben könnte, ohne dessen Nachteile.

Die Ähnlichkeit mit dem berühmten Vater verdeckt immer ein wenig, dass die 41-jährige Berufspolitikerin auch von ihrer Mutter Marianne, der Tochter aus der Bräu-Familie Zwicknagel, eine wichtige Eigenschaft geerbt hat: jene gusseiserne Freundlichkeit, die zur Grundausstattung jedes erfolgreichen Wirtes gehört.

Den Leuten ins Gesicht lachen zu können, ohne es so zu meinen. Die wahren Gefühle hinter einer Fassade aus Jovialität verschwinden zu lassen. Sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Also sitzt Monika Hohlmeier in ihrem Büro im Münchner Kultusministerium und lässt sich nicht im Geringsten anmerken, dass ihre bislang makellose politische Karriere gerade an einem ziemlich kritischen Punkt angelangt ist.

Ihr Nebenjob als Vorsitzende des notorisch zerstrittenen CSU-Bezirksverbandes München hat sie in schwere Bedrängnis gebracht, und es gibt nicht wenige in der Partei, die Monika Hohlmeier nicht für einen Teil der Lösung, sondern des Problems halten. "Ich lasse mir nicht auf der Nase herumtanzen, von niemandem", sagt die Strauß-Tochter und erweckt unbeirrt den Eindruck, nach wie vor alle Fäden in der Hand zu halten, obwohl ihr Parteibezirk jetzt schon seit langen Monaten von einer Serie schwerer Erdbeben erschüttert wird.

Feste Feindschaften, lockere Feindschaften

Auslöser ist eine Affäre, für die es ein Biotop wie die Münchner CSU braucht, in der es seit vielen Jahren nur zwei Arten von Beziehungen gibt: feste Feindschaften, die auf die Gefolgsleute übertragen werden, und lockere Feindschaften, die nach Bedarf wechseln. "Unsere Fehden", klagt ein Vorständler, "haben den Charakter von Blutrache."

Und Peter Gauweiler sagt: "Schon der Strauß hat zu mir gesagt: die Münchner CSU, das ist eine Schlangengrube, da müssen Sie aufpassen." Gauweiler muss es wissen, schließlich war er in dieser Grube lange eine der gefährlichsten Schlangen, ehe er dem Münchner Häuserkampf entsagte und sich im Bundestag einen angenehmen politischen Austrag suchte.

Im vergangenen Jahr ist in diesem Sumpf eine besonders übel riechende Blase aufgeplatzt. Es geht um gekaufte Mitglieder und manipulierte Abstimmungen, eine ganze Clique maßlos ehrgeiziger Nachwuchspolitiker aus der Jungen Union ist in den Skandal verwickelt, einige von ihnen stehen deswegen vor Gericht.

"Da gab es eine Riege in der Jungen Union", sagt ein langjähriger Insider, "die haben gesagt: jetzt übernehmen wir die Münchner CSU." Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Erich Riedl, von dem später noch zu reden sein wird, formuliert es noch drastischer: "Eine berufslose Gruppe von Leuten, die die CSU benutzt haben, um Karriere zu machen."

Die Regie und das Pech

Ihr Spiritus Rector, der 34-jährige Joachim Haedke, selber sechs Jahre lang Vorsitzender der Jungen Union in München, sitzt seit 1998 im Landtag. Er ist von einem der Angeklagten vor Gericht schwer belastet worden und soll der Drahtzieher der ganzen Aktionen gewesen sein, doch vor den zuständigen Parteigremien hat Haedke bisher eisern geschwiegen, auf Anraten seines Anwaltes.

Auch die anderen in die Affäre Verstrickten haben bislang jede Mitarbeit bei der Aufklärung der Vorgänge verweigert. Man habe schon "mehr Kooperation" erwartet, klagt Monika Hohlmeier.

"Sie tut nichts"

Seit gut einem Jahr ist die Strauß-Tochter jetzt Bezirkschefin, und die Frage, was sie seither eigentlich unternommen hat, um die Kooperation möglicherweise zu erzwingen, deren Fehlen sie beklagt, wird immer lauter gestellt. "Sie tut nichts", klagt ein Mitglied des Bezirksvorstandes, das lieber nicht mit seinem Namen in der Zeitung stehen möchte.

Die Vorsitzende habe von Anfang an versucht, "das Ding möglichst klein zu halten". Teilnehmer erinnern sich an die jüngste Sitzung des Bezirksvorstandes Anfang Mai. Eigentlich sollte da über Parteiordnungs-Maßnahmen gegen einen der Jung-Spunde, den Stadtrat Christian Baretti, geredet werden, den die eigene Stadtratsfraktion gerne loswürde, wogegen er sich mit allen juristischen Mitteln wehrt.

Doch statt die Causa Baretti zu debattieren, durfte die Stadträtin Mechthilde Wittmann, eine enge Hohlmeier-Vertraute, ein langes Referat zur Bayerischen Bauordnung halten. Als dann endlich der Tagesordnungspunkt Baretti dran war, mussten einige der Vorständler, die schon seit langem auf ein härteres Durchgreifen drängen, wegen anderer Terminverpflichtungen gehen. So ein Pech!

Wer die Geschichte der Münchner CSU und die Person Monika Hohlmeiers ein wenig besser kennt, hätte ahnen können, dass es vielleicht doch nicht so eine gute Idee war, ausgerechnet die "Moni" damit zu beauftragen, den Münchner CSU-Sumpf trocken zu legen. Denn eine Reihe von Akteuren, die dort seit langem die Strippen ziehen, gehört zu einer Seilschaft, in der auch Hohlmeiers Bruder Max Strauß lange Jahre eine herausragende Rolle spielte, bis ihn seine eigenen Kalamitäten einholten.

Der ehemalige Abgeordnete Riedl kann ein Lied davon singen, was einem passiert, wenn man sich mit der Strauß-Riege anlegt. Anfang der Neunzigerjahre wurde er damit beauftragt, finanzielle Unregelmäßigkeiten im CSU-Ortsverband Perlacher Forst aufzuklären, in dem Max Strauß damals Schatzmeister und dessen Intimus Curt Niklas, eines der schillernsten Münchner CSU-Gewächse, Ortsvorsitzender war.

Es ging um einen Fehlbetrag von fast einer viertel Million Mark, eine horrende Summe für einen kleinen Parteiverband. Bis heute liegen die Hintergründe der finanziellen Mauscheleien im Dunkeln. Doch geschasst wurden damals nicht etwa die Verantwortlichen Strauß und Niklas, sondern Kassenprüfer Riedl.

Er wurde 1995 nach einer erbitterten Schlammschlacht als zuständiger CSU-Kreischef von Max Strauß gestürzt und abgelöst. Seit Strauß wegen seines Augsburger Strafverfahrens in gewisser Weise unabkömmlich ist, hat sein Vertrauter Niklas das Amt übernommen. Für Riedl war das aber noch nicht das Ende. Vor der Bundestagswahl 1998 wurde sein Wahlkreis mit Flugblättern überschwemmt, die vor seiner Wahl warnten.

Prompt verlor Riedl das bis dahin sichere Direktmandat. Wer hinter der Aktion steckte, ist bis heute unklar - für Riedl waren es seine Parteifeinde. Die mehr als 80.000 Mark Portokosten wurden damals von einem Anonymus unter falschem Namen eingezahlt.

Die Hoffnungsträgerin verliert ihren Zauber

Für Monika Hohlmeier war Bruder Max schon immer ihre größte politische Belastung. Immer wieder hat er Skandal-Schlagzeilen aller Art produziert, galt in der Münchner CSU als größter Rüpel, der herumläuft, aber nie hat Hohlmeier auch nur einen Hauch von Distanzierung erkennen lassen. Der Familienzusammenhalt im Hause Strauß steht über allem anderen und wird in einer Art Nibelungentreue auch auf das ganze Spezi-System übertragen. "Sie ist natürlich ein elementarer Bestandteil des Systems", sagt ein Mitglied des CSU-Bezirksvorstands über Hohlmeier und die alten Seilschaften. So ist zum Beispiel Curt Niklas einer ihrer engsten Berater. "Den hätte ich als ersten rausgehauen", schimpft einer der Kritiker.

Doch dafür sieht Monika Hohlmeier keinen Grund. Niklas sei einer von zehn Kreisvorsitzenden in München. "Ich spreche mit den Kreisvorsitzenden, also spreche ich auch mit Niklas", sagt sie kühl.

"Monika Hohlmeier kann den Münchner CSU-Verband nicht in Ordnung bringen", sagt Erich Riedl, "weil sie mit diesen Leuten engstens verfilzt ist." Hätte Hohlmeier vor ihrer Wahl öffentlich bekannt, wie eng ihre Bande zu der Gruppe von Haedke, Niklas und Co. seien , "wäre sie nie gewählt worden", glaubt Riedl. Auch andere in der Münchner CSU sehen die Vorsitzende mit ihrem Lavieren mittlerweile auf der Kippe. Bei einem passablen Gegenkandidaten "hätte sie keine Mehrheit", heißt es.

Schon kursiert die Version, notfalls müsse Finanzminister Kurt Faltlhauser in die Bresche springen, der sich aus allen Kabalen all die Jahre immer elegant herausgehalten hat. Dabei ist die Strauß-Tochter doch von Parteichef Edmund Stoiber eigens zu dem Münchner Himmelfahrtskommando verdonnert worden. Stoiber wird in seiner Staatskanzlei regelmäßig halb wahnsinnig über die Münchner Umtriebe.

Immer wieder hat er sich in die örtlichen Streitigkeiten eingemischt, lange hat er gezögert, überhaupt jemandem aus seinem Kabinett mit dem schwierigen Job zu betrauen. Wenn Hohlmeier in München scheitert, fällt das auch auf ihn zurück. "Dem Edmund stinkt das ganz gewaltig", sagt einer aus seiner Regierungsriege. Auch im Kabinett werden die Probleme Hohlmeiers aufmerksam registriert.

"Die hat sich bisher zu zögerlich verhalten", sagt ein Kabinettskollege. Und ein anderer Minister spricht davon, Hohlmeier sei nicht mit der notwendigen Härte vorgegangen. "Ihr Problem ist, dass sie nicht glasklar Korrektheit zum obersten Prinzip gemacht hat."

Ein Durcheinanderrütteln

Monika Hohlmeier spürt den Druck, der jetzt auf ihr lastet. Es gebe einen einstimmigen Vorstandsbeschluss, bis nach den Urteilen mit Konsequenzen zu warten, verteidigt sie ihren Kurs. Sie habe von Anfang an auf Aufklärung gedrängt. "Ich hätte das in der Öffentlichkeit härter zum Ausdruck bringen müssen", räumt sie ein. Für die Hoffnungsträgerin, der viele für die Zeit nach Stoiber einen Aufstieg ganz nach oben zutrauen, kommen die Probleme zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt.

Vieles deutet darauf hin, dass Stoiber bei einem Wahlsieg der Union im Jahr 2006 auf jeden Fall nach Berlin gehen wird, als was auch immer. Dann wird in München alles gehörig durcheinander gerüttelt. Aber wer seinen eigenen Laden nicht im Griff hat, hat dann schlechte Karten.

In einer Woche wird es im Münchner CSU-Vorstand zum Showdown kommen, dann wird man wissen, ob die CSU in München vielleicht doch zur Selbstreinigung fähig ist. "Eine Entschuldigung alleine reicht nicht aus", kündigt Hohlmeier in Richtung der Betroffenen an. Zwei, drei Jahre brauche sie schon zur Konsolidierung ihres Bezirks.

"Ich glaube, dass ich eine Chance habe, aber es ist eine gefahrengeneigte Arbeit", sagt sie. Und was glaubt die Partei? Kann sie es schaffen? "Natürlich nicht", sagt einer, der ihr eigentlich wohlgesonnen ist.

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