Mügelns überforderter Bürgermeister:Zielscheibe im Rathaus

Ungeschickt verharmlost Bürgermeister Deuse die Hetzjagd von Mügeln und ein fremdenfeindliches Klima im Osten. Andere Politiker wollen sich auf seine Kosten profilieren.

Barbara Vorsamer

"Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen." Das soll Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP) angeblich zu einem Reporter der Financial Times Deutschland über die "Ausländer raus!"-Rufe gesagt haben, mit denen am vergangenen Sonntag acht Inder von einer Gruppe Deutscher durch den Ort gehetzt wurden.

Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse im Gespräch mit den Medien

Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse im Gespräch mit den Medien.

(Foto: Foto: ddp)

Es ist die krasseste Äußerung des Stadtbürgermeisters, der seit dem Vorfall vom vergangenen Sonntag mit abwiegelnden und verharmlosenden Zitaten die Berichte über Mügeln bereichert. So stellte er beispielsweise sofort am Tag nach der Hetzjagd - ohne Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten - seinen Bürgern im MDR Fernsehen einen Persilschein aus: "Wenn es rechtsextreme Geschehnisse waren, dann kamen die Täter nicht aus Mügeln."

Später verharmloste Deuse in der taz mit den Worten "es kann auf jedem Volksfest so etwas geben und nun hat es Mügeln mal getroffen" und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte er: "Wenn die Inder nicht da gewesen wären, hätten sich vermutlich Deutsche untereinander geprügelt."

Lächerlich machte er sich mit seiner Aussage auf Focus Online: "Mir schwillt der Kamm, wenn ich lese, die Inder seien durch die ganze Stadt gehetzt worden. Dabei sind es von dem Festzelt bis zu der Pizzeria nur 30 Meter."

Ob 30 Meter oder 300 Meter - wie weit die Inder genau gehetzt wurden, ist für den Skandal von Mügeln wenig relevant. Man fragt sich, was sich Bürgermeister Deuse bei solchen Äußerungen denkt.

Gotthart Deuse ist bestimmt kein Rechtsradikaler. Seit 17 Jahren amtiert er als Bürgermeister der 5000-Seelen-Gemeinde Mügeln - ein erfahrener Kommunalpolitiker also, der in seinem Ort nach der Wende die Dinge zum Besseren bewegen wollte.

Ein Mann, der verständlicherweise im Umgang mit dem Fernsehen und nationalen Medien unerfahren ist und sich manchmal in seinen Worten verstolpert. Er ist alles andere als ein Kommunikationsprofi.

Latent fremdenfeindlich

Doch reicht das aus, als Entschuldigung für seine Äußerungen? Wäre es nicht das Naheliegendste der Welt gewesen, sich erstens für die Vorfälle zu entschuldigen, sich zweitens von den Tätern und ihrer Gesinnung zu distanzieren, und drittens eine vollständige Aufklärung der Geschehnisse anzukündigen?

Offensichtlich nicht. Denn diese Sätze fehlen bis heute von Deuse, und selbst wenn er einmal etwas sagt wie "Es kommt zu kurz, dass ich die Taten verabscheue", setzt er direkt hinterher, dass es falsch wäre, nun nur noch Negatives über Mügeln zu berichten.

Abgesehen davon, dass dieses ständige Relativieren und Lavieren politisch äußerst unklug ist - es spiegelt auch das latent fremdenfeindliche Klima wieder, das im Osten Deutschlands herrscht. Die harschen Reaktionen westdeutscher und nationaler Medien und Politiker trafen Deuse völlig überraschend. Derart skandalös fand er selbst seine Äußerungen vermutlich gar nicht.

Andere finden das schon. Sie nutzen das Thema Mügeln, um sich zu profilieren. So bezeichnet Niedersachsens FDP-Chef Philipp Rösler die Reaktion Deuses in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung "eine Schande", sein Berliner FDP-Kollege fordert den Ortsbürgermeister in der Netzeitung auf, "seine absurde Äußerung" zurückzunehmen.

Rücksichtslos ausgenutzt

"So zu tun, als habe man kein Problem mit Rechtsextremismus, sondern 'nur' mit Ausländerfeindlichkeit, ist inakzeptabel und zeigt ein recht absurdes Gedankengebäude", sagte der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Johannes Vogel.

Auch Politiker anderer Parteien diskutieren mit: Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nennt die Behauptung, in Mügeln gäbe es keine rechtsextreme Szene "sehr befremdlich."

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, benutzt Deuses Worte, um FDP-Chef Guido Westerwelle anzugreifen. Er müsse sich öffentlich von Mügelns Bürgermeister distanzieren, fordert sie. Die Bundestagsabgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat diese Distanzierung bereits öffentlich vorgenommen.

Diese Zitate zeigen zwar einerseits eine gesunde Distanz der Politik zur Verharmlosung von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Sie zeigen aber auch, wie rücksichtslos Landes- und Bundespolitiker die Unbeholfenheit eines Ortsbürgermeister dafür ausnutzen, in die Schlagzeilen zu kommen.

Dieser Meinung ist auch der sächsische FDP-Vorsitzende Holger Zastrow, der ihn in Schutz nimmt und sagt: "Die Bundespolitik benutzt Deuse als Zielscheibe."

Falsch verstanden

Nicht ganz unschuldig daran sind die Medien, denen der Ortsbürgermeister vorwirft, nur noch Negatives von ihm und seiner Stadt zu berichten. Besonders in der Kritik steht die Financial Times Deutschland, der von der FDP inzwischen vorgeworden wird, "effekthascherisch gearbeitet" zu haben.

Von der eingangs zitierten Äußerung distanziert sich Bürgermeister Deuse inzwischen: "Das entspricht alles nicht der Wahrheit", sagt er zu sueddeutsche.de. "Diese Dinge werden falsch verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen."

Stattdessen habe er gesagt, er wisse, dass manchem solche Parolen schnell über die Lippen kämen, könne das aber nicht gut heißen.

Die Parteispitze stellt sich hinter Deuse. Generalsekretär Dirk Niebel ließ über die Pressestelle mitteilen, dass die Financial Times Deutschland das dem Bürgermeister unterstelle Zitat nicht beweisen könne und er deswegen keinen Zweifel an Deuses Version des Zitates hege.

Die anderen Sätze des Mügelner Bürgermeister Gotthard Deuse bleiben jedoch im Raum stehen: Als Belege für ein fremdenfeindliches Klima, das im Osten anscheinend als derart normal wahrgenommen wird, dass nicht einmal ein Politiker es schafft, sich davon unwidersprüchlich zu distanzieren.

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