Moskau-Fahrten:Bildungsreisen?

Die Haltung zu Russland als Gretchenfrage der Politik.

Von Stefan Ulrich

Wer seine Verbündeten provozieren möchte, kann derzeit auf Reisen gehen - nach Moskau. Der griechische Premier Alexis Tsipras fährt dorthin, und erhält aus Brüssel die Mahnung, die EU nicht zu spalten. Auch der tschechische Präsident Miloš Zeman will nach Moskau fahren, um am 9. Mai der Parade zum Sieg über Nazi-Deutschland beizuwohnen. Der US-Botschafter in Prag kritisierte das recht undiplomatisch als heikel, worauf Zeman dem Amerikaner brüsk Hausverbot erteilte. Die Haltung zu Russland ist wieder zur Gretchenfrage westlicher Politik geworden.

Nun ist eine gemeinsame europäische Außenpolitik oft mehr Wunsch als Wirklichkeit. Und selbstverständlich hat jeder Staats- und Regierungschef in der EU das Recht, seine Auslandsreisen zu planen, ohne eine Erlaubnis aus Brüssel einzuholen. Allerdings haben die 28 EU-Länder gerade im Ukraine-Konflikt - und damit verbunden in der Russland-Politik - erstaunlich viel Eintracht erreicht. Wenn es noch eine Chance auf Frieden in der Ukraine gibt, dann auch wegen dieser Einigkeit. Wer sie beschädigt, gefährdet viel.

Gewiss, reisen bildet, und es ist gut und notwendig, mehr über die Absichten der russischen Führung in Erfahrung zu bringen. Eine Reise nach Moskau, ob von Tsipras oder Zeman, sollte jedoch nie dazu dienen, Verbündeten im Westen die kalte Schulter zu zeigen und zu signalisieren: Wir können auch anders.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: