Mormone Romney als US-Präsidentschaftskandidat:Mit dem Glauben an die Macht

Mitt Romney, der für die Republikaner US-Präsident werden möchte, muss sich des Verdachts erwehren, er sei Anhänger einer seltsamen Religion.

Christian Wernicke

Wäre Mitt Romney doch nur ein anständiger Protestant. Dann könnte er jetzt, da er anhebt zu einem sehr öffentlichen Glaubensbekenntnis, den ehrwürdigen Martin Luther herbeirufen.

Und zitieren, was der kleine deutsche Mönch den Fürsten und Reichsständen anno 1521 in Worms angeblich entgegenschleuderte: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir - Amen!"

Romney, der Republikaner, würde vor den Augen der Nation sein Gewissen offenbaren - und auf diese Weise alle beschämen, die ihn deshalb mit einem Bann belegen wollen. So einfach wäre das, zumal in einem Land, das wie kein zweites auf Erden die Religionsfreiheit doch zu ihren Grundfesten zählt.

Nur, Mitt Romney ist eben kein Protestant. Genau das ist ja sein Problem. Dieser Mann - treuer Gatte, fünffacher Vater, demnächst Opa im Dutzend - muss sich im Jahr 2007 in Amerika des Verdachts erwehren, er sei vom rechten Glauben abgefallen.

Und huldige, als Mormone, einem obskuren Kult. Dieses Bauchgrimmen seiner Landsleute macht Romney zu schaffen, es droht den Lebenstraum des 60-jährigen Multimillionärs zu zersetzen.

Denn dieser Mitt Romney, der sich und seine 5,7 Millionen Glaubensbrüder lieber "Heilige der Letzten Tage" nennt, strebt nach Höherem, nach dem mächtigsten Amt, das diese Welt zu vergeben hat: Der Republikaner will der 44.Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden.

Also hat Romney an diesem Donnerstag eine weite Reise angetreten. Ins tiefste Texas ist er gekommen, um Zeugnis abzulegen über sich und seinen Glauben. George Bush, der Ex-Präsident und Vater des aktuellen Herrn im Oval Office, hat dem Kandidaten das Auditorium seiner Presidential Library geöffnet.

Am Rednerpult prangt das Präsidentensiegel, gleich zehnfach wird dahinter rot-weiß-blau das Sternenbanner ins Bild gerückt. Im Saal sitzen durchwegs treue Romney-Anhänger. Konvertierte sozusagen, die eh glauben, was Bush-Vater mit seiner Geste zu verstehen gibt: dass sein Gast ein ehrbarer Christenmensch sei.

Nervös und steif

Dann tritt der Aspirant hinters Pult. Ein artiger Diener vor dem Hausherrn, ein Blick hinauf zum Himmel, ein Lächeln fürs Publikum. Das hat Romney stets parat, wann und wo immer er für sich und seine Sache wirbt.

Doch Romney ist nervös, er wirkt merkwürdig steif und endlich einmal nicht so ganz glatt und poliert wie bei seinen sonstigen Auftritten vorm Wahlvolk. Jetzt, da er schwört, er wolle der Präsident aller Amerikaner sein: "Ich werde nicht einer Religion, nicht einer Gruppe, nicht einer Sache und nicht einem Interesse dienen", liest er vom Teleprompter ab, "ein Präsident darf nur dem Gemeinwohl des Volkes der Vereinigten Staaten dienen."

Es folgt, was folgen muss - das Bekenntnis zur Trennung von Kirche und Staat, das patriotische Lob auf "die Nation vor Gott" und "auf den Gott, dem wir uns anvertrauen". Das sind die Sätze, mit denen Romney vor allem die rechte Basis seiner Partei, die evangelikalen Kirchgänger, umwirbt.

Denn von denen glaubt laut Umfragen jeder Zweite, die Mormonen seien eine Art Sekte, die zu Lebzeiten von Romneys Urgroßvater noch der Polygamie frönte. Romney riskiert es nicht, diese Vorurteile direkt zu attackieren. Stattdessen bleibt er seltsam abstrakt. Oder er flüchtet sich in Pathos, wenn er mit starrem Blick in den Saal ruft, dass er doch "die Gebete von Menschen allen Glaubens brauche", um als Präsident in spe zu reüssieren.

Mit dem Glauben an die Macht

Nur ein Bekenntnis gelingt ihm anschaulich und wahrlich griffig: "Wenn ich meine Hand auf die Bibel lege und den Amtseid ablege, dann wird dieser Eid mein höchstes Versprechen an Gott sein." So mancher Protestant mag bis dahin geargwöhnt haben, dieser Ex-Gouverneur des US-Bundesstaates Massachusetts plane heimlich, sich im Januar 2009 das Buch Mormon statt die Heilige Schrift reichen zu lassen.

Romney hat seine Rede selbst geschrieben. Und er ist so, wie er jetzt auftritt: hochgradig professionell, gesegnet mit stattlichem Antlitz und einer sonoren Stimme. Und doch bleibt selten etwas zurück von dem, was er sagt.

An jenen Standard jedenfalls, den einst ein ähnlich schöner und reicher Mann namens John F. Kennedy 1960 in Texas setzte, kann Romney nicht heranreichen. Damals musste sich der Katholik Kennedy des Verdachts erwehren, er werde als Präsident mehr dem Papst als den Interessen der Nation gehorchen. Das 47 Jahre alte Plädoyer für Religionsfreiheit gilt bis heute als Lehrbeispiel politischer Rhetorik. Romney zitiert es, und klingt selbst dabei hohl.

Seinen Kern jedenfalls gibt Romney nicht preis. Und genau das bleibt als Problem zurück. "Für Mitt Romney ist Politik nur ein Produkt", urteilt Jeffrey Berry, Professor der Tufts University und langjähriger Beobachter des Kandidaten. Romney sei ständig dabei, seine Meinungen umzugestalten: Einst war er für, jetzt ist er gegen Abtreibung.

Als Gouverneur duldete er homosexuelle Partnerschaften, nun wettert er dagegen. Erst zu Wochenbeginn wurde er ertappt, dass er noch immer illegale Einwanderer das Laub in seinem Garten harken lässt - und zugleich für strengere Immigrationsgesetze agitiert. Er habe, sagte Romney, der Firma "eine zweite Chance" geben wollen. Das ist sehr amerikanisch, auch christlich - aber glaubwürdig macht es ihn nicht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: