Mordanschlag auf Ex-Spion in Großbritannien:Die Spur des Gifts

Mordanschlag auf Ex-Spion in Großbritannien: Hochpotentes Gift: Nach dem Angriff in Salisbury ringt Sergej Skripal seinen Ärzten zufolge mit dem Tod, seine Tochter ist in einem kritischen Zustand.

Hochpotentes Gift: Nach dem Angriff in Salisbury ringt Sergej Skripal seinen Ärzten zufolge mit dem Tod, seine Tochter ist in einem kritischen Zustand.

(Foto: Steve Parsons/AP)
  • Als "Mordversuch" und "unverschämte Attacke" bezeichnet die britische Innenministerin den Angriff auf den russischen Ex-Spion Skripal und seine Tochter.
  • Die Polizei habe das Nervengift identifiziert, das bei dem Angriff verwendet worden sei; könne wegen laufender Ermittlungen aber keine weiteren Auskünfte geben.
  • Konservative Abgeordnete fordern einen Bruch mit Moskau, sollte sich die Spur nach Russland bestätigen.

Von Cathrin Kahlweit, London

Die britische Innenministerin hat den Angriff auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter als "Mordversuch" und als "unverschämte und ruchlose Attacke" bezeichnet. Amber Rudd zeigte sich empört darüber, dass der im britischen Salisbury lebende Skripal und seine Tochter Julia Opfer einer in "grausamer und öffentlicher Weise" ausgeführten Attacke geworden seien. Sie bestätigte bei einer aktuellen Fragestunde im Parlament am Donnerstag, die Polizei habe das Nervengift identifiziert, das bei dem Angriff verwendet worden sei; aufgrund der laufenden Polizeiermittlungen könne sie aber nach wie vor keine weiteren Auskünfte über das Nervengas und seine mutmaßliche Herkunft geben. Sobald man mehr über Täter und Motiv wisse, werde man "nicht zögern, zu handeln".

Was das genau bedeutet, ließ die Ministerin allerdings im Unklaren. Sehr viel deutet darauf hin, dass Skripal im Visier des russischen Geheimdienstes FSB stand. Moskau bestreitet jede Beteiligung an dem Mordversuch. Skripal, ehemaliger Offizier des Militärgeheimdienstes, war 2006 wegen Hochverrats zu 13 Jahren Gefängnis in Russland verurteilt worden, weil er die Namen von russischen Agenten in Europa an den britischen Geheimdienst MI6 weitergegeben habe. Er gab zu, vom MI6 dafür bezahlt worden zu sein, später wurde er begnadigt, gegen russische Agenten in den USA ausgetauscht und nach Großbritannien geflogen.

Ärzte befürchten, dass Skripal "es nicht schaffen" werde

Der 66-Jährige und seine Tochter waren am vergangenen Sonntag nach einem gemeinsamen Restaurantbesuch zusammengebrochen. Ärzte befürchten, dass Sergej Skripal "es nicht schaffen" werde. Seine Tochter ist weiter in einem kritischen Zustand, ein zur Hilfe geeilter Polizeibeamter soll aber auf dem Weg der Besserung sein.

Eine Reihe von Todesfällen, welche die Familie nach Angaben der BBC teils als dubios bezeichnet haben soll, hatte die Skripals in letzter Zeit verfolgt: Sergej Skripals Frau starb 2012 an Krebs, 2014 verstarb sein Bruder, im vergangenen Jahr schließlich kam auch sein Sohn Alexander im Alter von 43 Jahren in Sankt Petersburg um; er war wegen Leberversagen in ein Krankenhaus eingeliefert worden, wo er starb. Skripals Tochter Julia war offenbar gerade bei ihrem Vater zu Besuch, als sie gemeinsam mit ihm angegriffen wurde.

Die Regierung dürfte mit besonderem Interesse auf die Reaktionen aus Moskau schauen. Als der Putin-Kritiker und Ex-Spion Alexander Litwinenko, der ebenfalls in Großbritannien lebte, mit Polonium vergiftet wurde und in einem Londoner Krankenhaus starb, bezeichnete der Kreml, der auch hier jede Beteiligung bestritt, den mutmaßlichen Täter als Helden - und Litwinenko als Verräter. Litwinenko hatte dem FSB zuvor vorgeworfen, eine Mördertruppe zu beschäftigen, die Regimegegner aus dem Weg räume. Wohl nicht ganz zu Unrecht: Kurz vor seinem Tod war in Russland ein Gesetz verabschiedet worden, das den FSB autorisiert, gegen "Terroristen und Extremisten" im Ausland vorzugehen.

Andere Opfer waren an Herzattacken oder bei Autounfällen ums Leben gekommen

Wegen des Nervengas-Angriffs auf Skripal sind jetzt Stimmen in Großbritannien laut geworden, welche die erneute Untersuchung von 14 Todesfällen im Königreich fordern, die Geheimdienstexperten als "staatliche Auftragsmorde" auf britischem Territorium bezeichnen. Nicht alle Todesfälle, bei denen Bürger der ehemaligen Sowjetunion in Großbritannien umkamen, sind auf Nervengift zurückzuführen; der Putin-Gegner und Oligarch Boris Beresowski etwa war erhängt im eigenen Badezimmer gefunden worden. Andere Opfer waren an Herzattacken oder bei Autounfällen ums Leben gekommen.

Warum der FSB einen Mann wie Sergej Skripal, der schon seit vielen Jahren unauffällig in Salisbury lebt, auf so auffällige Weise aus dem Weg räumen sollte, ist eine Frage, die britische Ermittler erst noch zu klären hätten - wenn sich die Hinweise auf eine Beteiligung Moskaus verdichten sollten. Konservative Abgeordnete fordern derweil schon einen Bruch mit Moskau, sollte sich die Spur nach Russland bestätigen.

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