Moorburg:Kitsch in Hamburg ist schwarz-grün

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Mit dem Scheitern der GAL im Fall Moorburg ist die Koalition der Hansestadt entzaubert.

Jens Schneider

Sie waren ganz betört voneinander. Wie Jungverliebte schwärmten die Spitzen der Hamburger CDU und der Grün-Alternativen Liste (GAL) in diesem Frühling von der Besonderheit eines schwarz-grünen Bündnisses. Die einst verfeindeten Lager freuten sich über ihren angeblich vertrauensvollen Umgang. Bürgermeister Ole von Beust und die Grünen redeten von Synergien und Gegensätzen, die sich angeblich ideal ergänzten.

Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) im Plenum der Bürgerschaft. (Foto: Foto: dpa)

Sie priesen die Liaison als eine Vermählung von Wirtschafts- und Umweltpolitik. Nach Jahren der Konfrontation hätten sich die klugen Köpfe des bürgerlichen Lagers zusammengefunden, um das Beste ihrer Welten zu einer modernen Großstadtpolitik zu vereinen.

Nach nur fünf Monaten ist das alles als schwarz-grüner Kitsch entzaubert. Das Fiasko der grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk im Fall Moorburg offenbart die wahren Verhältnisse. Hamburg lässt ein ökologisch kaum verantwortbares Kohlekraftwerk bauen, das die CDU beschlossen hat und weiter wollte. Die CDU ist der Gewinner, die GAL der Verlierer.

Der Machtpolitiker Beust verfolgt das grüne Scheitern reglos. Er lehnt sich befriedigt zurück. Nach der Genehmigung für Moorburg tragen die Grünen die Verantwortung für Beusts falsche Kraftwerks-Entscheidung. Gäbe es die schwarz-grüne Gemeinsamkeit tatsächlich, würde er sich nun ernsthaft in Berlin für eine neue Energiepolitik und ein neues Energierecht einsetzen.

Die Grünen haben ihre Chancen, das Kraftwerk zu verhindern maßlos überschätzt. Naiv haben sie das im Wahlkampf versprochen und diesen Eindruck beim Start der Koalition noch verstärkt. Die jetzige Niederlage wird ihren Ruf auf Jahre belasten. Mit der Gründung neuer Stadtwerke und der Wiedereinführung der Straßenbahn wollen sie nun die negative Klimabilanz ausgleichen. Daran glauben sie nicht einmal selbst.

Riskant ist für die GAL auch ihr zweites Prestigeprojekt, die große Schulreform. Über die Kreation von Primarschulen soll das Ideal erreicht werden, Kinder länger gemeinsam lernen zu lassen und dennoch besonders Begabte zu fördern. Das Experiment ist gewagt und stößt auf Widerspruch. Bürgerinitiativen laufen, unterstützt von Christdemokraten, dagegen Sturm. Beust hilft der grünen Schulsenatorin nur halbherzig. Wenn es eng wird, wird er sich schnell zum Retter der Gymnasien aufschwingen. Und erneut werden die Grünen konservative Realpolitik akzeptieren müssen.

Diese Koalition einzugehen, war für die GAL ein Fehler, nun weiß sie es. Sollten die Grünen dennoch daran festhalten, hat das wenig mit Inhalten und viel mit Kalkül zu tun. Ihnen fehlen Alternativen. Der Ausstieg aus der Koalition könnte zu Neuwahlen oder einer großen Koalition führen. Beides wäre für sie schmerzhafter als das Weiterregieren. Bundesweit sollten die Grünen dieses Ende des Hamburger Frühlings als Menetekel erkennen. Es ist der Modellfall für das, was sie sich nicht erlauben können.

© SZ vom 2.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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