Monumente:Des Kaisers Kitsch

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Rom baut alte Säulen wieder auf, mit denen Vespasian einst seinen Ruhm feierte. Dabei wird allerdings ein bisschen getrickst. Viele fürchten, die Stadt werde nun völlig zum Disneyland.

Von Oliver Meiler

Die Zeitmaschine ist ein alter Traum der Menschheit - nur leider nicht zu realisieren. So behelfen sich die Menschen mit kleinen Tricks, um auch sehr ferne Zeiten erlebbar zu machen. In Rom, das dem Vermächtnis der Antike nach wie vor seine touristische Attraktivität verdankt, werden gerade sieben Säulen aus dem baulichen Nachlass von Kaiser Vespasian wieder aufgerichtet. Sie lagen in Stücken am Boden herum, ungefähr so, wie man sie vor gut 15 Jahren bei Grabungen gefunden hatte. Bei einer solchen Aufrichtung alter Säulen mit Originaltrümmern darf getrickst werden. Ein bisschen. Kritiker vergleichen jetzt das Prozedere mit der Wirkung von Viagra. Metaphorisch trifft es das recht gut, ist aber ganz und gar despektierlich gemeint. Denn das Vorhaben spaltet die wissenschaftliche Gemeinde.

Als Roms linker Bürgermeister Ignazio Marino vor einigen Monaten die Arbeiten beginnen ließ, hätte man leicht den Eindruck gewinnen können, die Stadt richte da für exakt 665 900,84 Euro nicht nur einige acht bis zehn Meter hohe Säulen aus rosa Granit und mit Marmorkapitellen wieder auf, sondern gleich den ganzen, imposanten Friedenstempel Vespasians aus dem Jahr 75 nach Christus. Aber darum geht es schließlich: Ein Fragment soll die Vorstellung davon schärfen, wie es einst ausgesehen hat, als noch alles stand in seiner Monumentalität. Der Kaiser feierte mit der Anlage die Eroberung Jerusalems, brachte darin die Trophäen seiner Feldzüge unter. Wann genau der Templum Pacis einstürzte, ist unklar. Wahrscheinlich wurde das Bauwerk Opfer eines Erdbebens.

Das soll nicht mehr vorkommen. Die Stadt beschloss, die Säulen nun in ihrem Sockel mit Beton zu sichern, damit sie alle Erdstöße, die Rom - Gott bewahre! - in den kommenden Jahrhunderten erschüttern könnten, überstehen würden. Der Entscheid wurde zwar von allen maßgeblichen archäologischen Aufsichtsbehörden unterstützt, ist aber unter Experten äußerst umstritten. Und wie stets, wenn in Rom über die gebührende Erbverwaltung der Antike debattiert wird, artet die Polemik auch diesmal in wüste Schuldzuweisungen aus. Man hört zum Beispiel, die Aufrichter wollten dem zahlenden Publikum ein kitschiges Spektakel bieten und förderten die "Disneylandisierung" der Stadt. Viel besser, heißt es in diesen puristischen Kreisen, wäre es, wenn man Granit allein mit Granit bewahre oder die Geschichte überhaupt da liegen lasse, wo sie hingestürzt sei - in Ruinen zwischen Kapitol und Kolosseum, von wild wuchernden Grashalmen umrankt.

Der Bürgermeister lässt sich die Euphorie indes nicht nehmen. Die Kaiserforen, sagt Marino, sollten zum Zentrum Roms werden, des modernen. Es sollen noch viel mehr kulturelle Veranstaltungen und bald auch Modeschauen stattfinden. Den Individualverkehr verbannte er, neu beleuchtet sind die Foren. Früher donnerten die Autos laut und rußend an den Kulturschätzen vorbei. Es gibt nun nächtliche Rundgänge, Exkurse in die Antike, das Gefühl der Zeitmaschine - stünden da nicht Gladiatoren der Neuzeit herum, die nur für unverschämt viel Geld Fotos mit sich machen lassen.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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