Moldau:Hin- und hergerissen zwischen West  und Ost

Moldau: Der moldauische Sozialistenchef Igor Dodon ist aussichtsreichster Kandidat für das Präsidentenamt. Das pro-europäische Lager will ihn unbedingt verhindern.

Der moldauische Sozialistenchef Igor Dodon ist aussichtsreichster Kandidat für das Präsidentenamt. Das pro-europäische Lager will ihn unbedingt verhindern.

(Foto: Daniel Mihailescu/AFP)

Die Präsidentenwahl an diesem Sonntag ist für die frühere Sowjetrepublik auch eine große Richtungsentscheidung: Will das Land mehr Europa - oder doch mehr Russland?

Von Frank Nienhuysen

Wladimir Putin gilt als stilbildend, aber Igor Dodon hat all die Posen auch drauf: nackig im Eisbad, in blauer Tarnfleck-Uniform und mit Gewehr, mit meterlangem Fischfang auf dem Arm oder Hunde streichelnd auf der sommergrünen Wiese. Sie könnten sich bald treffen, Putin und Dodon, denn der moldauische Sozialistenchef geht als aussichtsreichster Kandidat in die Präsidentenwahl an diesem Sonntag. Sollte er gewinnen, würde er zunächst in die russische Hauptstadt fliegen. "Erst Moskau, dann Brüssel", so klar hat er es der russischen Zeitung Kommersant gesagt.

Die Republik Moldau, zwischen Rumänien und der Ukraine gelegen, eines der ärmsten Länder des Kontinents, steht vor einer Richtungsentscheidung: Mehr Russland oder mehr Europa ist die Wahl, auch wenn es in beiden Fällen natürlich zuerst um Moldau selber geht. Aber der bisher so klare Kurs Richtung Europäische Union, offiziell eingeschlagen durch den Assoziierungsvertrag mit der EU vor zwei Jahren, dürfte bei einem Machtwechsel in Chișinău enden.

So weit wird es nach dem Sonntag zwar noch nicht gleich sein, denn die Befugnisse des moldauischen Präsidenten sind noch bescheiden im Vergleich zu Parlament und Regierungschef. Doch zum ersten Mal seit 20 Jahren wird der Präsident diesmal wieder direkt vom Volk gewählt, das gibt ihm und der Wahl großes Gewicht. Die Signalwirkung ist auch dem anderen Lager vollauf bewusst, denn der Kandidat der regierenden Demokratischen Partei hat ebenso wie der einflussreiche Bürgerrechtler Andrej Nastase seine Bewerbung zurückgezogen, um der liberalen Maia Sandu den Weg wenigstens für die Stichwahl in zwei Wochen frei zu machen. Sie alle wollen unbedingt Dodon verhindern, und damit den Beginn der prorussischen Wende.

Vor zwei Jahren hatten die Sozialisten in einem Wahlkampf offen mit Putins Foto geworben, und auch jetzt macht der Sozialistenführer kein Geheimnis aus seinen politischen Wünschen: Dodon will sein Land in die von Moskau dominierte Zollunion führen. Er will auch den Assoziierungsvertrag mit der Europäischen Union für null und nichtig erklären, aber weil er das selbst als Präsident nicht so einfach kann, strebt er ein Referendum an, um das Volk entscheiden zu lassen. Vorgezogene Parlamentswahlen würde er im Fall seiner Wahl auch vorantreiben, was aus Sicht seiner Gegner alles in allem einen angsteinflößenden Cocktail ergäbe.

Auf etwa 30 Prozent wird Dodons Stimmenanteil geschätzt, und seine ärgste Widersacherin, die ehemalige Bildungsministerin Sandu, liegt Umfragen zufolge knapp dahinter. Sie will straff Kurs halten Richtung Europa, kämpft jedoch mit dem Problem, dass die in die EU drängende moldauische Führung zuletzt durch Korruptionsskandale viel Kredit in der Bevölkerung verspielt hat. Sandu hält es sogar für gefährlich, jetzt einfach so die Unterstützung jener Kandidaten in Anspruch zu nehmen, die sich ihretwegen aus dem Wettbewerb zurückgezogen haben. "Hätte die Demokratische Partei einen europäischen Führungsstil, hätte sie sich nicht eine Parlamentsmehrheit zusammengekauft. Wäre sie wirklich europäisch, hätte sie die Generalstaatsanwaltschaft reformiert", erklärte sie. 44 Jahre ist Sandu alt, sie hat ihr Wirtschaftsstudium in Harvard abgeschlossen und mehrere Jahre bei der Weltbank gearbeitet. Sie weiß, was internationale Geldgeber dem Land abverlangen, Rechtstaatlichkeit, Kampf gegen Korruption. Vor allem der "Diebstahl des Jahrhunderts" von 2014 hat die Republik Moldau aufgerüttelt und Massenproteste ausgelöst, als eine Milliarde Dollar aus drei Banken des Landes einfach so verschwanden.

Trotz einiger Fortschritte und Reformen, dieser Skandal hat den Europakurs bei vielen Moldauern diskreditiert. Und so kämpfen nun die stärksten Kandidaten, Sandu und der Sozialist Dodon gleichermaßen gegen die Korruption - sonst könnten sie auch keine Wahl gewinnen -, aber eben doch mit sehr verschiedenen Anschauungen. Die Bevölkerung jedenfalls ist hin- und hergerissen zwischen West und Ost, und sie dürfte es noch mehr sein, sollten aus dem Bewerberfeld exakt die beiden übrig bleiben für die Stichwahl. Die OSZE schaut sicherheitshalber mit 200 Beobachtern zu.

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