Mohammed Mursi versus Armee:Ägyptens Verfassungsgericht prüft Rechte des Präsidenten

Hat Ägyptens Präsident das Recht, die Auflösung des Parlaments zu widerrufen? Darüber berät heute das Verfassungsgericht in Kairo. Die Anhänger von Mohammed Mursi feiern den Schritt auf dem Tahrir-Platz der Hauptstadt - Kritiker fürchten eine neue Welle der Gewalt.

Nach der Wiedereinsetzung des aufgelösten Parlaments durch Ägyptens Präsident Mohammed Mursi will das Verfassungsgericht an diesem Montag über dessen Dekret beraten. Bereits am Sonntagabend kam der oberste Militärrat zu einer Sondersitzung zusammen.

Unter dem Vorsitz von Feldmarschall Hussein Tantawi wollten die Militärs "die Auswirkungen dieser Entscheidung" erörtern, berichtete die ägyptische Agentur Mena. Beschlüsse seien nicht gefasst worden, hieß es im britischen Sender BBC.

Das Verfassungsgericht hatte im Juni die Wahlen wegen eines fehlerhaften Wahlgesetzes für ungültig erklärt und das von Islamisten dominierte Parlament aufgelöst. Die Auflösung des Parlaments war von den Islamisten in Ägypten, aber auch von westlichen Politikern kritisiert worden.

Am Sonntag widerrief Mursi die Auflösung des Parlaments. In dem entsprechenden Dekret, in dem er das Unterhaus zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert, ordnete Mursi zudem vorgezogene Wahlen innerhalb von 60 Tagen nach Annahme einer neuen Verfassung per Referendum an.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen erlaubte die Polizei am Montag einigen Abgeordneten, das Parlamentsgebäude zu betreten. Parlamentspräsident Saad al-Katatni berief für diesen Dienstag eine Sitzung der Volksvertretung ein.

Der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei übte im Kurznachrichtendienst Twitter Kritik an Mursis Schritt. Der Erlass des Präsidenten führe das Land "in ein verfassungsmäßiges Koma und einen Konflikt" zwischen den wichtigsten staatlichen Institutionen, schrieb er.

Experten streiten über Mursis Rechte

Begrüßt wurde Mursis Schritt von den Mitgliedern der islamistischen Muslimbruderschaft, der Mursi bis zu seiner Wahl als Präsident selbst angehörte. Zudem feierten Hunderte Anhänger Mursis in der Nacht zum Montag auf dem Kairoer Tahrir-Platz den Schritt.

Der Militärrat hatte nach dem durch Massenproteste beförderten Rücktritt von Langzeit-Machthaber Hosni Mubarak im Februar 2011 die Macht übernommen und einen Fahrplan für die Übergangszeit vorgelegt, der durch die Urteile über den Haufen geworfen wurde.

Noch vor Mursis Amtsantritt hatten die Militärs die Machtbefugnisse des Staatspräsidenten beschnitten. Entsprechend waren sich Verfassungsrechtler am Sonntag nicht einig, ob Mursis Dekret zur Wiedereinsetzung des Parlaments rechtens ist.

Tharwat Badawi von der Universität Kairo vertrat im Gespräch mit der Zeitung Al-Ahram die Auffassung, dass Mursi "als einzig gewählte Autorität im Lande" durchaus einen derartigen Beschluss fassen könne. Dem widersprach im Staatsfernsehen sein Kollege Mohammed al-Dhahabi, der das Dekret als "juristische Katastrophe und als Verstoß gegen juristische und verfassungsrechtliche Prinzipien" einstufte.

Wenige Stunden vor der Bekanntgabe von Mursis Entscheidung hatte US-Vizeaußenminister William Burns Mursi bei einem Treffen eine Nachricht von US-Präsident Barack Obama übergeben. Darin bekräftigte Obama die "neue Partnerschaft" mit Ägypten und lud Mursi zu Gesprächen im Weißen Haus im September ein.

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