Mohammed-Karikaturen:Wütende Muslime schwören "heiligen Krieg"

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Hunderttausende aufgebrachte Gläubige demonstrieren gegen die westliche Welt. Berlin befürchtet, der Zorn könnte Konsequenzen für die deutschen Geiseln im Irak haben.

Annette Ramelsberger und Manuela Kessler

Die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen hat einen anti-westlichen Aufruhr in der islamischen Welt ausgelöst. Nach den Freitagsgebeten demonstrierten Hunderttausende Muslime in Iran, Pakistan, Indonesien und im Nahen Osten.

In Berlin wurde die Sorge laut, dass die Affäre die Bemühungen um die Befreiung der beiden deutschen Geiseln im Irak erschweren könnte. Versuche europäischer Politiker, die oftmals gesteuerte Empörung zu besänftigen, blieben zunächst erfolglos. Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen lehnte eine Entschuldigung erneut ab.

Erzürnt über die Karikaturen des Propheten schworen Moslems bei den Freitagsgebeten in vielen islamischen Staaten den "heiligen Krieg". Die größten Demonstrationen gab es in Iran. In Teheran und anderen Städten gingen Hunderttausende auf die Straße. Sie skandierten Slogans wie "Diese Beleidigung bleibt nicht ohne Antwort" sowie "Tod Amerika" und "Tod Dänemark".

Der frühere Präsident Ali Haschemi Rafsandschani bezeichnete die Karikaturen als "organisierte Strategie gegen die Muslime" und Beleidigung von 1,6 Milliarden Muslimen. Bei einer Demonstration mit etwa 10.000 Teilnehmern in Gaza erneuerten palästinensische Extremisten ihre Drohungen gegen alle Europäer, in deren Ländern die Karikaturen veröffentlicht wurden.

In Katar rief der einflussreiche sunnitische Scheich Jussef el Kardawi den Freitag zu einem "internationalen Tag des Zorns" aus. Der pakistanische Senat verurteilte "in schärfster Form die absichtliche und konzertierte Aktion der europäischen Medien." Auch in Russland riefen erstmals islamische Prediger zum Boykott von Waren aus der EU auf.

Sturm auf dänische Botschaft

In der indonesischen Hauptstadt Jakarta stürmten militante Islamisten das Hochhaus, in dem sich die dänische Botschaft befindet. Eine Gruppe der radikalen "Islamischen Verteidigungsfront" verlangte von der Regierung in Jakarta, die diplomatischen Beziehungen mit Kopenhagen abzubrechen.

Ein Großaufgebot der Polizei stoppte die etwa 300 Demonstranten erst in der Lobby des Gebäudes und griff nicht ein, als diese die dänische Flagge herunterrissen. Es war die erste Kundgebung gegen die Karikaturen in dem südostasiatischen Land, das am meisten muslimische Einwohner weltweit zählt.

Führende Intellektuelle in Jakarta kritisierten nach dem Zwischenfall, dass die Behörden gegen den islamistischen Schlägertrupp nicht durchgegriffen hatten. "Die Kleinmütigkeit der Regierung ist gefährlich", sagte Ulil Abshar Abdalla vom Liberalen Islamischen Netzwerk. "Der Hass, den die Extremisten unbehelligt verbreiten, bedroht die traditionelle Vielfalt und Toleranz unserer Gesellschaft."

Die von den arabischen Regierenden und den Protestierenden verlangte ausdrückliche Entschuldigung durch seine Regierung lehnte der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen erneut ab und verwies auf die Pressefreiheit.

Die Zeitung Jyllands-Posten hatte Ende September die zwölf Karikaturen veröffentlicht. In vielen muslimischen Ländern werden die Zeichnungen als Provokation aufgefasst. Rasmussen warnte vor einer globalen Ausweitung des Konfliktes. Dies könne bei einer weiteren Eskalation zu "unüberschaubaren Konsequenzen" führen.

Steinmeier und Stoiber in Sorge um die Geiseln

Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan äußerte sich sehr besorgt. Die Pressefreiheit müsse den Glauben aller Religionen respektieren, sagte er in New York. Missverständnisse und Abneigungen müssten im friedlichen Dialog und mit gegenseitigem Respekt überwunden werden. Die Karikaturen seien "verletzend, unsensibel, respektlos und falsch gewesen", sagte der britische Außenminister Jack Straw.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich besorgt, dass der internationale Streit um die Mohammed-Karikaturen die Anstrengungen um die Freilassung der im Irak entführten deutschen Ingenieure belasten könnte. Die Versuche, Kontakt zu den Entführern zu bekommen, seien davon wohl nicht betroffen, aber der Streit habe Einfluss auf die Stimmung in den arabischen Ländern, sagte Steinmeier in Berlin. "Wir geben uns alle Mühe, um das in den nächsten Tagen zu dämpfen."

Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte, der Streit um die Karikaturen erleichtere die Situation der deutschen Geiseln nicht. Allerdings betonten Vertreter der Bundesregierung den hohen Stellenwert der Pressefreiheit. Der Staat sei "weder Schiedsrichter noch jemand, der Noten zu vergeben habe", sagte Regierungssprecher Thomas Steg.

© SZ vom 04.02.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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