Mögliches Asyl für Edward Snowden:Gesucht: ein Land, das nichts zu verlieren hat

Für die EU gilt: In den USA kann niemand aus politischen Gründen verfolgt werden. Das ist das größte Hindernis für die vielen Asylanträge, die der flüchtige Edward Snowden auch in Europa gestellt hat. Hinzu kommt, dass der Whistleblower einen Staat braucht, der die Konfrontation mit den Amerikanern nicht scheut. Doch der ist auf der ganzen Welt nur schwer zu finden.

Von Thomas Kirchner

"Die Gewährung von Asyl hat sehr viel mit Außenpolitik zu tun", sagt die Münchner Asylrechtsexpertin Ursula Münch. Für alle Länder gelte also: Letztlich ließe sich immer ein rechtlich gangbarer Weg finden, einen Menschen in Not aufzunehmen. Doch praktisch, so die Juristin, fehlt der Wille, sich mit der Supermacht USA anzulegen. Das betrifft natürlich auch die Länder der Europäischen Union.

Die EU hat kein einheitliches Asylsystem, aber sie hat einheitliche Verfahrensregeln. Für die EU-Länder, in denen Snowden einen Asylantrag gestellt hat - Frankreich, Spanien, die Niederlande, Österreich, Polen, Irland, Italien und Finnland -, gilt dasselbe wie für Deutschland: Der Antragsteller muss sich im jeweiligen Land oder wenigstens an der Grenze befinden, um einen Antrag stellen zu können. Selbst wenn Snowden das gelänge, bleibt das Problem, dass er aus den USA stammt, mithin aus einem "sicheren Herkunftsstaat", in dem per Definition niemand aus politischen Gründen verfolgt wird.

Die Schweiz befürchtet ein "Eigentor"

Bliebe in Europa das Nicht-EU-Mitglied Norwegen. Auch dort hieß es am Dienstag: "Asylanträge müssen auf norwegischem Boden gestellt werden", sagte der stellvertretende Justizminister Paal Loenseth dem Sender NRK, "gemäß unseren Regeln wird die Bitte abgelehnt werden". Und die Schweiz, das andere Nicht-EU-Mitglied, das eine gewisse Tradition als sicherer Hafen für Exilanten zu verteidigen hätte? Dort war es bisher möglich, Asylgesuche aus dem Ausland zu stellen. Allerdings wurde das sogenannte Botschaftsasyl Anfang Juni in einer Volksabstimmung abgeschafft. Snowden Asyl zu gewähren wäre also ein "Eigentor", sagte Verteidigungsminister Ueli Maurer. "Die Idee ist nicht durchdacht. Der Mann hat das Gesetz seines Landes gebrochen."

Für die Schweiz wäre es politisch sehr unklug, die USA mit einer solchen Entscheidung zu reizen. Sie hat ohnehin Scherereien mit der US-Justiz wegen der Hilfe, die Schweizer Banken amerikanischen Steuerflüchtlingen leisteten.

Versucht hat es Snowden offenbar auch in Island, das einen Ruf als Beschützer der Informationsfreiheit erworben hat, vor allem dadurch, dass es Wikileaks-Leuten Zuflucht gewährte. Ein Aktivist auf der Insel hatte sogar behauptet, in Hongkong stehe schon ein Flugzeug für den Amerikaner bereit. Die Regierung machte aber schnell klar, wie wenig sie von der Idee hält. Eine Absage auch aus Indien: Nur Stunden nach Eingang des Antrags hieß es im Außenministerium in Delhi, dass man ihn nach eingehender Prüfung abgelehnt habe.

China sei "kein Land, das Asyl gewähre"

China wiederum, auch dort traf ein Antrag ein, sei "kein Land, das Asyl gewähre", sagte Wu Qiang von der Tsinghua Universität in Peking der Nachrichtenagentur dpa. Zwar biete Artikel 32 der chinesischen Verfassung die Möglichkeit, Ausländern Asyl zu gewähren, tatsächlich sei das aber unwahrscheinlich. China hat von Snowdens Enthüllungen politisch profitiert, ist nun aber froh, den Spion losgeworden zu sein, ohne dass seine Beziehungen zu den USA übermäßig belastet worden wären.

"Snowdens letzte Chance ist es", konstatiert die Asylrechtlerin Münch deshalb, "einen Staat zu finden, der sich auf eine solche Konfrontation einlässt." Es müsste ein Land sein, das nichts zu verlieren hätte. Dieses Land gibt es nicht.

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