Mögliche Koalitionen:SPD zeigt sich verhalten

Hannelore Kraft einen Tag nach der Wahl

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft betont den Wert einer starken Opposition.

(Foto: dpa)

Wer verhilft Angela Merkel zu einer stabilen Regierung? Die Sozialdemokraten geben sich reserviert, was eine Neuauflage der großen Koalition angeht. Bei den Grünen warnen auch die Realos. Aus der CDU kommen hingegen Appelle, sich einem Bündnis nicht zu verweigern.

Ein Bündnis der Union mit der SPD gilt als wahrscheinlichste Variante für eine neue Regierung. Doch die Sozialdemokraten zeigen sich reserviert - sei es aus taktischen Gründen oder wegen tatsächlicher Vorbehalte gegen eine Neuauflage der großen Koalition.

Die in der SPD einflussreiche Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Hannelore Kraft, betonte am Abend in Düsseldorf, die SPD sei nicht angetreten, um als Mehrheitsbeschafferin die Union an der Regierung zu halten. Demokratie brauche auch eine starke, lebendige Opposition.

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles äußerte sich erneut zurückhaltend zu einem schwarz-roten Bündnis. Sie bekräftigte in der Passauer Neuen Presse, dass es keinen Automatismus für eine große Koalition gebe. "Die Skepsis in der SPD ist sehr groß." Nahles verwies darauf, dass auch die Grünen als Partner für CDU und CSU in Frage kämen.

SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner sagte im RBB-Inforadio, niemand habe eine Neigung, mit Frau Merkel zusammen zu regieren. Seine Partei habe für einen Regierungswechsel gekämpft.

Kauder warnt SPD vor Verzögerung

Die Union von Kanzlerin Angela Merkel hatte bei der Wahl am Sonntag zwar beinahe die absolute Mehrheit erreicht, braucht aber einen Koalitionspartner. Da die FDP den Verbleib im Bundestag nicht geschafft hat, kommen nur SPD und Grüne infrage. Die CSU lehnt ein Bündnis mit den Grünen allerdings ab.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte die SPD davor, die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zu verzögern. "Europa wartet nicht auf die Regierungsbildung in Deutschland. Wir müssen handlungsfähig sein", sagte Kauder dem Magazin Spiegel. Kauder sagte, dass aus seiner Sicht eine große Koalition einem Bündnis zwischen Union und Grünen vorzuziehen sei. Zum einen sei die SPD schlicht die größere Fraktion, zudem sei diese Zusammenarbeit "nach den Aussagen im Wahlkampf ... für mich auch inhaltlich die richtige Präferenz".

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble appellierte an SPD und Grüne, sich jeweils der Bildung einer Koalition mit der Union nicht aus parteipolitischen Erwägungen zu verweigern. "Wir haben alle gelernt, dass wir auch eine Verantwortung für den Staat haben", sagte der CDU-Politiker am Montagabend im ZDF. "Erst kommt der Staat und dann die Partei und nicht umgekehrt. Und das wird dann auch für die anderen gelten."

Noch skeptischer als die SPD zeigen sich die Grünen hinsichtlich einer Koalition mit der Union - wenn sie sich auch prinzipiell zu Gesprächen bereit erklärt haben. Selbst Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer, der grundsätzlich als Befürworter einer Öffnung hin zur Union gilt, warnte vor einem schwarz-grünen Bündnis. "Das wäre ein brutaler Wortbruch", sagte der Realo dem Mannheimer Morgen. Dies sei "nur um den Preis des totalen Gesichtsverlusts der Grünen" möglich.

CSU-Chef Horst Seehofer will offenbar ohnehin nicht mit den Grünen über eine Koalition verhandeln. "Ich werde solche Gespräche jedenfalls nicht führen, damit hat sich das", sagte Seehofer dem Spiegel. Er begründete seine Ablehnung mit einem "Geist der Bevormundung", der bei den Grünen herrsche, sowie mit der Verstrickung führender Grüner in die Pädophilie-Debatte aus der Frühzeit der Partei.

Anders sieht es CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Ihrer Ansicht nach sollte die Union sich alle Optionen für eine Koalitionsbildung offenhalten. Ziel müsse eine stabile Regierung sein, sagte Hasselfeldt im Deutschlandfunk. Sie betonte, SPD und Grüne müssten sich zunächst neu sortieren. Bei den Sozialdemokraten stehe der Parteikonvent am Freitag an, bei den Grünen eine personelle Neuaufstellung und womöglich eine inhaltliche Neuausrichtung. Beides gelte es abzuwarten.

Erste Sitzungen der neuen Fraktionen

Heute kommen in Berlin die neuen Fraktionen zu ihren ersten Sitzungen zusammen. Bei der CSU-Landesgruppe sollen Gerda Hasselfeldt als Vorsitzende und Stefan Müller als parlamentarischer Geschäftsführer wiedergewählt werden. Bei der Union stellt sich Volker Kauder zur Wiederwahl als Vorsitzender, bei der SPD Frank-Walter Steinmeier. Auch die Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann (SPD) und Michael Grosse-Brömer (CDU) sollen im Amt bestätigt werden.

Bei Grünen und Linken kommen die ausscheidenden und neuen Abgeordneten zwar ebenfalls zusammen. Ihre Fraktionsspitzen werden vorerst aber noch nicht neu gewählt.

Der Bundestag soll nach dem Willen seines Präsidenten Norbert Lammert (CDU) am 22. Oktober zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Wahl zusammentreten. Der CDU-Politiker sagte am Montagabend in Düsseldorf, er habe dieses Datum vorgeschlagen und sei zuversichtlich, dass alle Fraktionen zustimmen werden.

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