Modetrend:Unten ohne

Viele Jugendliche tragen auch bei Minusgraden keine Strümpfe.

Von David Pfeifer

Verwunderung über Jugendmode gibt es, seitdem es Jugendliche gibt. So wird der ein oder andere Lammfellstiefel-Träger derzeit den Kopf schütteln, wenn junge Menschen in dicken Mänteln an ihm vorbeispazieren - die Füße ohne sichtbare Socken in weißen Turnschuhen.

"Flanking" heißt dieser Trend, ein Akronym aus den englischen Begriffen "Flashing" und "Ankle", also grob gesagt: die Fessel aufblitzen lassen. Der Begriff ist frischer als der Trend, weil in der Mode selten etwas neu ist, das meiste geht und kommt wieder, so wie gutes und schlechtes Wetter. Da Deutschland in diesen Tagen von besonders kaltem Wetter geschüttelt wird, kann man sich den Generationenaustausch bei der Frage der blanken Fessel allerdings besonders frostig vorstellen ("So willst du vor die Tür?").

Erika Baum, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, sieht das gelassen: "Die Fesseln sind nicht so wichtig. Wenn hingegen die Füße kalt werden, steigt bei Frauen das Risiko der Harnwegserkrankung. Aber das kann man mit guter Isolierung ja nun verhindern."

Befeuert wird das Herzeigen der blanken Fessel im Winter durch eine Entwicklung, die seit einigen Jahren allen Moden als Brandbeschleuniger dient: die massenhafte Selbstverbreitung über Blogs und Instagram. Wichtig beim Mode-Bloggen ist die wie zufällig wirkende Ganzkörperaufnahme, vorzugsweise am lang ausgestreckten Arm von schräg oben ausgeführt, was die Silhouette streckt. Und da der Schuh von schräg oben fotografiert noch erkennbar sein sollte, muss das Hosenbein möglichst früh enden. So ist auch der Nebentrend der sogenannten Hochwasserhose zu erklären, also der gekrempelten Jeans, die über die Jahrzehnte immer mal wieder kommt und geht und erst seit jüngerer Zeit "Pinroll" genannt wird, was sich exotisch anhört, aber eben doch eine hochgekrempelte Hose bleibt.

Die Flanker und Pinroller werden auf Mode-Blogs beraten: Lammfell- oder Aluminiumsohlen sollten in die Schuhe. Auf der Website "Stylebook" wird zudem empfohlen, heiße Fußbäder vor dem Ausgehen zu nehmen, dazu Fußcremes, die warm halten, und natürlich eine gute Mütze. Nicht nur für ältere Herren mit zurückgehendem Haaransatz ist das besonders wichtig, denn: "Am meisten Wärme verlieren wir über das Gesicht", sagt Baum.

Die Experten des Outdoor-Ausstatters Globetrotter betrachten das Ganze naturgemäß pragmatisch. Sarah Kilian, Beraterin in der Produktabteilung, empfiehlt ebenso wie Erika Baum dicke Sohlen und Wollsocken fürs Wohlbefinden im Winter: "Der Körper zieht das Blut halt da ab, wo er es am wenigsten braucht. Deswegen friert man von unten." Außer einem Schnupfen passiert dem Flanker zwar nichts, solange er nicht auf Polarexpedition geht. "Aber mit Wollsocken sieht er halt nicht so trendy aus."

Ein ähnliches Problem hat die traditionelle Variante, bei der die kurze Trachten-Lederhose auch im Winter tragbar wäre, mit Wadenwärmern.

Allerdings ist Tradition eben genau das, was Flanking nicht sein soll. Hier gilt, seitdem es Jugendliche gibt: Eine Mode wird vor allem dann attraktiv, wenn Ältere verständnislos den Kopf darüber schütteln.

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