Mobilfunk:EU kassiert Roaming-Versprechen

Die Zusatzgebühren im Ausland sollten ganz abgeschafft werden - doch jetzt entfallen sie nur noch für 90 Tage im Jahr.

Von D. Brössler und K.-H. Büschemann, Brüssel/München

Die umstrittenen Roaming-Gebühren für die Nutzung von Handys im Ausland werden nicht vollständig abgeschafft. Neue Pläne der EU-Kommission sehen vor, dass Handynutzer im Ausland künftig 90 Tage pro Jahr ohne Zusatzkosten telefonieren und im Internet surfen können. Danach sollen Telekom-Anbieter Aufschläge berechnen können.

Das legt die Brüsseler Behörde in einem Entwurf für eine Regelung vor, die von Mitte nächsten Jahres an gelten soll. Die EU-Staaten und das Europaparlament hatten den weitgehenden Wegfall der Roaming-Gebühren für die Handynutzung im EU-Ausland im vergangenen Jahr für Juni 2017 beschlossen, Einschränkungen aber zunächst offengelassen. Der deutsche EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hatte das als "Durchbruch" gefeiert.

Gebühren für Roaming, das englische Wort heißt übersetzt Umherwandern, verlangen die Telekom-Gesellschaften für das Telefonieren, den Datentransfer oder Versenden von SMS im Ausland. Das habe zu exzessiven Preisen geführt und Menschen Angst vor der Nutzung ihres Handys im Ausland gemacht, heißt es bei der EU-Kommission.

Der Vorschlag der Kommission kommt bei Verbraucherorganisationen nicht gut an. Das geplante Ende der Roaming-Gebühren werde damit "nicht erfüllt", kritisiert Klaus Müller vom Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands: "Der Wegfall der Roaming-Gebühren für nur 90 Tage entspricht weder der Realität noch dem Alltag eines Verbrauchers." Auch der europäische Verbraucherschutzverband Beuc hat die Brüsseler Pläne kritisiert. Das lange versprochene Ende des Roamings für die meisten europäischen Verbraucher werde "keine Realität", sagte Beuc-Experte Guillermo Beltrà am Dienstag in Brüssel. Von einer "Farce und einer vergebenen Chance" sprachen die Grünen im Europäischen Parlament. "Einen gemeinsamen digitalen Binnenmarkt im Interesse der Bürger wird es so nicht geben", sagt Grünen-Vertreter Michel Reimon. Constanze Krehl von der SPD im EU-Parlament fordert, "dass die Roaming-Gebühren abgeschafft werden sollten". Das 90-Tage-Kontingent sei für die meisten Privat- und Geschäftsreisen zwar ausreichend. "Es führt aber die Idee eines europäischen Binnenmarktes ad absurdum."

Die EU-Kommission wies die Kritik zurück. Sie habe die Abschaffung der Roaming-Gebühren versprochen und dieses Versprechen gehalten. Die 90-Tage-Regel rechtfertigt ein Kommissionssprecher mit der Sorge vor Wettbewerbsverzerrungen.

Die europäischen Telefonkonzerne wie die Deutsche Telekom widersetzen sich mit aller Kraft einer völligen Freiheit im grenzüberschreitenden Handy-Verkehr. Sie befürchten, dass die Preise europaweit auf das Niveau des günstigsten Anbieters fallen würden. "Das Sinken des Preisniveaus wäre fatal für den Standort Europa", heißt es bei der Deutschen Telekom. Die Telekom weist darauf hin, dass allein in Deutschland künftig 80 Milliarden Euro nötig seien, um die Telekommunikationsnetze auf den technisch neuesten Stand zu bringen.

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