Mittelmeer:Flüchtlingssterben rüttelt Europa auf

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Hilfe aus Selbstachtung - Leitartikel von Daniel Brössler

Nach dem Tod von Hunderten Afrikanern will die EU die Seenot-Rettung verstärken.

Von Daniel Brössler, Stefan Braun, Oliver Meiler, Luxemburg/Rom

Die Europäische Union will dem Massensterben im Mittelmeer nicht länger tatenlos zusehen. "Der Worte sind genug gewechselt", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag vor einem Krisentreffen von Außen- und Innenministern der EU in Luxemburg. "Migration ist schon schwer genug, sie darf nicht eine Angelegenheit von Leben oder Tod sein", sagte er. Die Seenot-Rettung im Mittelmeer müsse "erheblich verbessert" werden. Auf Zustimmung stieß ein Zehn-Punkte-Plan der EU-Kommission. Dieser sieht eine Verdoppelung der Mittel für die EU-Grenzschutzmission Triton vor. Auch die Zahl der eingesetzten Schiffe soll erhöht werden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach von einem "Wendepunkt".

Das Krisentreffen war einberufen worden, nachdem in der Nacht zu Sonntag vor der libyschen Küste erneut ein Flüchtlingsboot mit mehreren Hundert Menschen gekentert war. Dabei sollen bis zu 950 Flüchtlinge ums Leben gekommen sein, unter ihnen 40 bis 50 Kinder. Vergangenes Jahr war das italienische Rettungsprogramm Mare Nostrum ausgelaufen und durch die erheblich kleinere Triton-Mission ersetzt worden, der zuletzt neun Schiffe zur Verfügung standen. Italiens Außenminister Paolo Gentiloni forderte europäische Solidarität. Zwei Drittel der Flüchtlinge kämen in Italien an. Für Donnerstag berief EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs ein.

Flankieren will die EU die verbesserte Seenot-Rettung durch einen verstärkten Kampf gegen Schlepperbanden. Dies sei nötig, weil Kriminelle sonst nur noch mehr Menschen auf gefährliche Boote schicken würden, sagte de Maizière. Auch Italiens Regierung drängt die internationale Gemeinschaft dazu, gegen die kriminellen Schlepperbanden im politisch instabilen Libyen vorzugehen. Premier Matteo Renzi sprach von "gezielten Schlägen gegen die Schlepper". Auch der Zehn-Punkte-Plan der Kommission sieht eine Mission zur Festsetzung und Zerstörung von Schiffen der Menschenschmuggler vor. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sprach von einer "zivil-militärischen" Operation. Die EU werde sich um ein Mandat des UN-Sicherheitsrates bemühen, kündigte die Außenbeauftragte Mogherini an.

"Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass weiterhin Opfer im Mittelmeer, also vor unserer Haustür, umkommen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Nichtregierungsorganisationen in Berlin. Die Probleme seien leider nicht mit einem Schritt zu überwinden. "Aber wir sind es uns selbst schuldig, dass wir hier mehr tun und intensiver arbeiten", betonte sie.

Unweit der libyschen Küste ist am Montag erneut ein Boot mit 300 Insassen in Seenot geraten. Ein Passagier setzte einen Hilferuf ab und berichtete der Internationalen Organisation für Migration, das Schiff sinke, zwanzig Flüchtlinge seien bereits ertrunken. Fast zur gleichen Zeit zerschellte ein Flüchtlingsschiff vor der griechischen Insel Rhodos, in unmittelbarer Nähe eines beliebten Strandes. Drei Menschen kamen ums Leben; 93 hatten sich an die Bootsreste geklammert und konnten gerettet werden.

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