Mitt Romneys Vizekandidat Paul Ryan:Jung, konservativ, Verfechter radikaler Kürzungen

Mit Paul Ryan nominiert Mitt Romney einen wirtschaftsliberalen Hardliner zum Vizepräsidentschaftskandidaten. Der Abgeordnete aus Wisconsin ist jung, konservativ und mächtig. Ryan lenkt die Haushaltspolitik der Republikaner im US-Kongress und warnt eindringlich davor, was Amerika bevorsteht, sollte Barack Obama Präsident bleiben: europäische Zustände.

Mitt Romney hat sich wohl schon früh entschieden, wen er als Vizepräsidentschaftskandidaten kürt. Offiziell will der republikanische Herausforderer von US-Präsident Barack Obama den Namen seines Mitstreiters an Bord des US-Kriegsschiffes aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs bekanntgeben.

Aber schon der Name der schwimmenden Festung deutete darauf hin, wer sein running mate werden soll: das Schiff heißt USS Wisconsin, benannt nach dem Bundestaat, den Paul Ryan in Washington D.C. als Kongressabgeordneter vertritt.

Das Obama-Lager reagierte mit Kritik an der Politik von Paul Ryan auf dessen Nominierung zum Vizepräsidenten. Er wolle die Steuern für Reiche senken und gleichzeitig der Mittelschicht und den Rentnern neue Lasten aufbürden, hieß es in einer Mitteilung von Obamas Wahlkampfteam.

Romney kommt mit seinem Schachzug den Rufen konservativer Meinungsführer in den USA nach. Diese hatten zuletzt immer lauter Paul Ryan als republikanischen Vizekandidaten für die Präsidentschaftswahl im November gefordert.

Das einflussreiche Magazin Weekly Standard etwa trommelte für den Kongressabgeordneten aus Wisconsin, auch das wirtschaftsnahe Wall Street Journal (WJS) sprach eine Empfehlung für Ryan aus.

Paul Ryan ist mit 42 jung, er ist konservativ - und mächtig: Maßgeblich lenkt er die republikanische Haushaltspolitik im Kongress. Seit Jahren prägt er im politischen Nahkampf von Washington die Rezepte der Partei gegen den hohen Schuldenstand und das maue Wirtschaftswachstum.

Sie lauten: weniger Staat, niedrigere Steuern, radikale Reformen des Sozialsystems.

Nach Meinung des WJS steht der Chef des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus wie kein anderer für die "Generationenentscheidung über die Rolle der Regierung", die am 6. November anstehe. Dann, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika einen neuen Staatschef wählen.

Ein Geschöpf Washingtons

Mit Ryan an seiner Seite dürfte Romney seinen Wahlkampf noch stärker auf die Wirtschaft zuschneiden. Der frühere Fondsmanager wirft Präsident Barack Obama vor, den USA einen "Sozialismus nach europäischem Vorbild" aufzwingen zu wollen. Der Staatseinfluss habe dabei nicht nur die Staatsverschuldung weiter in die Höhe getrieben, sondern auch eine Erholung der Konjunktur nach der schweren Wirtschaftskrise blockiert. Als Beleg führt Romney, der Ende August auf dem Parteitag der Republikaner in Florida offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden soll, die Arbeitslosenquote von mehr als acht Prozent an.

Anders als Romney, der erst 2003 als Gouverneur von Massachusetts in der Politik eine gestaltende Rolle übernahm und seine Vergangenheit als Geschäftsmann rühmt, ist Ryan ein Geschöpf Washingtons. Mit nur 28 Jahren wurde er 1998 in das Repräsentantenhaus gewählt, zuvor hatte er bereits als Mitarbeiter im Kongress und für eine konservative Denkfabrik in Washington gearbeitet. Das Online-Magazin Politico schrieb, Ryans Erfahrung in der Privatwirtschaft beschränke sich weitgehend auf Schüler- und Studentenjobs als Burgerbrater bei einer Fastfoodkette und als Fitnesstrainer.

Ryan stammt aus Janesville im Südosten von Wisconsin, noch heute lebt er dort mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Der Sohn eines Bauunternehmers wuchs in behüteten katholischen Verhältnissen auf, doch im Sommer 1986 musste er einen schweren Schicksalsschlag verarbeiten: Der damals 16-Jährige fand seinen Vater tot im Bett, gestorben an einem Herzinfarkt. "Ich wurde wirklich schnell erwachsen", sagte Ryan dem Magazin New Yorker über diese Zeit.

Einflussreicher Politstratege

Der Jugendliche widmete sich nach dem Tod des Vaters mit größerem Ernst der Schule. In seiner Freizeit las er die Werke der libertären Philosophin Ayn Rand sowie der Ökonomen Friedrich Hayek und Ludwig von Mises - jene Denker, auf deren Ideen die wirtschaftsliberalen Positionen vieler Republikaner heute fußen.

Den Uniabschluss machte Ryan in Wirtschaft und Politik an der Miami University im Bundestaat Ohio, dann begann sein steiler Aufstieg in Washington. Mit Anfang 40 sei er nun "der womöglich einflussreichste Politikstratege in der republikanischen Partei", urteilte die New York Times.

Ein Vizekandidat Ryan würde für Romney aber auch Risiken bergen. Der Budgetplan, den der Haushaltsexperte im März durch das Repräsentantenhaus brachte, sieht Kürzungen von mehr als fünf Billionen Dollar über das kommende Jahrzehnt vor - darunter bei Lebensmittelhilfen und der Krankenversicherung für Arme. Die Steuern sollen dagegen sinken, auch für Reiche. Das Ryan-Budget passt genau in Obamas Botschaft, mit Romney drohe der soziale Kahlschlag.

Warnung vor europäischen Zuständen

Außerdem müsse Romney für einen Wahlsieg vor allem die Wechselwähler in Schlüsselstaaten wie Florida oder Ohio gewinnen, sagt der Politikprofessor Alan Abramowitz von der Emory University. "Und ich denke nicht, dass ihm Paul Ryan dabei in irgendeiner Weise behilflich sein wird."

Fakt ist: Mit der Wahl Ryans zum Mitstreiter wird Romney den Wahlkampf weiter polarisieren. Darüber hinaus hofft Romney, dass er mit Hilfe Ryans die Wahl im Bundesstaat Wisconsin gewinnt. Dort lag die Demokratische Partei von Obama vor vier Jahren mit großem Vorsprung vorn.

Dass die krisengebeutelnden Europäer nicht gerade wohl gelitten sind bei Ryan, ließ der republikanische Jungstar unlängst wissen. Diese Wahl sei "ein einmaliges Fenster" für einen Kurswechsel, verkündete. Werde dieses nicht genutzt und Obama wiedergewählt, dann drohe Amerika etwas sehr Schlimmes, warnte Ryan: Dann stehe das Land vor europäischen Zuständen.

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