Mit allen Mitteln:Gift für die Bauern

In Kolumbien versprüht die Regierung im Auftrag der USA von Flugzeugen aus Herbizide, um illegale Mohn-, Koka- und Marihuana-Anpflanzungen zu vernichten. Doch der Giftregen trifft auch Menschen - mit dramatischen Folgen. Von Uschi Treffer.

Wer nicht in San Francisco II wohnt, fährt dort auch nicht freiwillig hin. Der Weg in das kleine ecuadorianische Dorf am Rande des Amazonas an der Grenze zu Kolumbien wird in der Gegend Koka-Straße genannt und ist eine grobe, einsame, einspurige Schotterpiste aus faustgroßen Steinen und einer Aneinanderreihung von Schlaglöchern.

Mohnfeld, AP

Die Herbizide sollen Drogen-Plantagen vernichten, doch sie vergiften auch Menschen.

(Foto: Foto: AP)

Sie führt durch steiles hügeliges Waldgelände. Eine Straße, auf der man besser niemandem begegnet. Nicht nur, weil sich dort Schmuggler und Guerillakämpfer herumtreiben. Die größte Gefahr kommt dort aus der Luft. "Hier sterben die Menschen, sie sterben einen langsamen Tod, und niemanden interessiert es", klagen die Kichua-Bauern auf dem Dorfplatz in einer Mischung aus Verzweiflung und Wut.

Alle zwei bis drei Wochen tauchen über der Gemeinde Flugzeuge auf, die Pflanzen, Tieren und Menschen Krankheit und Tod bringen. Die Gefahr droht entlang der kolumbianischen Grenze nicht nur in Ecuador, sondern auch in Peru und Brasilien.

Giftcocktail

Die Flugzeuge versprühen Unkrautvernichtungsmittel, Hauptbestandteil der Mischung ist Glifosat, ein toxischer Stoff. Es wird verkauft mit dem Hinweis, dass Menschen damit nicht in Berührung kommen sollen, es drohten Reizungen von Haut und Augen, Übelkeit und Atemnot. Doch im Drogenkrieg gelten andere Regeln.

Der Giftcocktail soll auf kolumbianischem Terrain illegale Mohn-, Koka- und Marihuana-Anpflanzungen zerstören. Die Herbizide machen allerdings nicht an der Grenze Halt und landen auch direkt auf ecuadorianischem Gebiet.

Kolumbien versprüht im Kampf gegen den Drogenanbau schon seit den siebziger Jahren Herbizide aus der Luft, verstärkt haben sich die Einsätze allerdings erst im Jahr 2000, als der damalige US-Präsident Bill Clinton und sein kolumbianischer Kollege Andres Pastrana den umstrittenen Plan Colombia entwarfen.

Aus dem südamerikanischen Land stammen 80 Prozent des weltweit hergestellten Kokains, und Washington glaubt, den Anbau mit militärischen Mitteln drosseln zu können. Dafür stellte der US-Kongress im selben Jahr 1,3 Milliarden Dollar bereit.

Lebensgrundlage vergiftet

Der Plan läuft in diesem Jahr aus, aber bereits im vergangenen November sagte US-Präsident George W. Bush seinem kolumbianischen Kollegen Alvaro Uribe bei einem Kurzbesuch weitere Hilfe für die nächsten Jahre zu. Bush und Uribe hoffen, damit gleichzeitig linksgerichtete Guerillagruppen wie die Fuerzas Armadas Revolucionarias Columbianas (Farc) auszuschalten, die sich wie die rechten Paramilitärs hauptsächlich aus dem Kokaingeschäft finanzieren.

In San Fransisco II will man weder mit Guerillas noch mit Drogen etwas zu tun haben. Dort hat man andere Sorgen. Bei der Rundfahrt durch die Felder zeigt Delia Prieto auf die Bananenstauden. Vertrocknete Blätter, schwarze krumpelige Früchte. Sie zieht Maniok aus der Erde. Die Wurzel zerbröselt ihr in der Hand. "Mais, Kaffee, Maniok, Banane, alles tot", sagt die Bäuerin. "Viele bauen hier überhaupt nichts mehr an, denn sie wissen ja nicht, wann die Flieger das nächste Mal auftauchen."

Nicht nur die Pflanzen sterben, auch die Tiere. "Von meinen 15 Katzen blieb mir nicht eine", erzählt Delia Prieto. Auch Hunde, Hühner, Schweine und Kühe starben. Was überlebt hat, lässt sich nicht verkaufen. So wurde den Bauern im Grenzstreifen durch die regelmäßigen Besprühungen aus der Luft die Lebensgrundlage entzogen.

Kinder sterben qualvoll

Aber das ist nicht alles. Die 52-jährige Bäuerin Victoria Ribadenaira zeigt auf die schwarzen Flecken auf ihrem Bauch, sie leidet unter Kopfschmerzen, Fieber und Erbrechen. Der Arzt diagnostizierte eine akute Vergiftung. Aber wer sollte den verordneten Blutaustausch bezahlen?

Gift für die Bauern

Bauer Julio Diez nimmt seinen Hut ab. Der Hinterkopf ist voll von daumengroßen Geschwüren. Kein Medikament hat geholfen. Jose Macario Bones Körper ist von Hautausschlägen übersät.

Seine Frau behandelt sie mit Öl, das verschafft etwas Linderung. Segundo Rocendo Andrade holt das Foto seines Sohns aus der Hütte. Der Neunjährige starb im vergangenen Jahr innerhalb von drei Monaten. Allein in San Fransicso II starben in Folge der Herbizid-Besprühungen acht Kinder.

Krebs und Missbildungen

Was die Bauern erzählen, hat der spanische Arzt Alfredo Maldonado für die ecuadorianische Umweltinitiative Accion Ecologica und für Menschenrechtsgruppen wissenschaftlich untersucht. Sein Ergebnis: Während der Besprühungen leiden die Einwohner unter akuten Vergiftungserscheinungen.

Langfristige Folgen sind eine zerstörte Erde und kontaminiertes Wasser, Magen-, Darm-, Nerven- und Hautkrankheiten, Abgänge in der Schwangerschaft, Zerstörung der roten Blutkörperchen, Krebs, Missbildungen, genetische Schäden.

Der Tropenmediziner hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen in langen Berichten zusammengefasst. Er glaubt, wie viele im Land, hier gehe es vor allem um die Interessen der USA. Die Strategie zur Drogenbekämpfung sei aber längst gescheitert, sagt er. Auf Hilfe der Regierung brauchen die Bauern in San Fransisco II nicht zu hoffen. Präsident Lucio Gutierrez ließ zwar eine Kommission zur Untersuchung der Gesundheitsschäden einrichten.

Aber an deren Glaubwürdigkeit zweifeln sogar seine eigenen Abgeordneten, und im Zweifelsfall ist ihm der Applaus aus Washington oder Bogota wichtiger als seine Bauern. Auch Ecuador erhält immer wieder Brosamen aus dem Milliardenbudget der USA für den Plan Colombia, dafür patrouillieren einige tausend ecuadorianische Soldaten im Grenzstreifen zu Kolumbien.

Wer kann, geht deshalb weg von dort. In der Region wurden in den vergangenen Jahren 25 Schulen geschlossen. Eduardo Olmedo Aviles ist geblieben. Er hat keine Verwandten anderswo, die ihn aufnehmen könnten. Und er sieht nicht ein, warum er gehen sollte: "Ich bin schließlich Ecuadorianer. Ich habe ein Recht auf ein würdiges Leben in meinem Land."

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