Misstrauensvotum in Italien:Tumulte im Parlament - Berlusconi triumphiert

Gerangel im Parlament, Proteste auf der Straße - und am Ende lacht wieder einmal der Cavaliere: Italiens Premier Silvio Berlusconi übersteht das Misstrauensvotum. Doch ein Verdacht bleibt.

"Polidori" tönt es blechern durch das Plenum im römischen Palazzo Montecitorio. Catia Polidori, Parlamentsabgeordnete von Gianfranco Finis Partei ist damit gemeint. Sie gilt als eine Wackelkandidatin in der Abstimmung über Berlusconis Zukunft. Polidori stimmt für Silvio Berlusconi und damit gegen den Willen ihrer Partei. Die Empörung der Fraktionskollegen ist groß und hörbar. Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Die Sitzung wird unterbrochen, doch dann dauert es nicht lange bis feststeht: Berlusconi hat gewonnen.

Misstrauensvotum in Italien: Silvio Berlusconi entscheidet das Misstrauensvotum für sich.

Silvio Berlusconi entscheidet das Misstrauensvotum für sich.

(Foto: AFP)

Wieder einmal und entgegen aller anderslautenden Vorzeichen hat sich der Cavaliere durchgesetzt. Am Dienstagnachmittag entschied der 74-Jährige das Misstrauensvotum in der italienischen Abgeordnetenkammer, der Camera dei Deputati, für sich, mit einer hauchdünnen Mehrheit. 311 Parlamentarier sprachen sich gegen ihren Regierungschef aus, 314 für ihn.

Bis zum Ende war der Ausgang des Misstrauensantrags völlig offen gewesen. Beide Seiten haben im Vorfeld große Anstrengungen unternommen, um diese wichtige Entscheidung zu ihren Gunsten zu drehen. Drei schwangere Abgeordnete verschiedener Parteien sind extra für die Abstimmung im Rollstuhl und im Rettungswagen angekarrt worden.

Die Abstimmungen waren nötig geworden, nachdem Berlusconi im Juli mit seinem Verbündeten Gianfranco Fini gebrochen und so die Mehrheit im Abgeordnetenhaus verloren hatte. Die Opposition reagierte mit einem Misstrauensantrag. Die Vertrauensfrage im Senat dagegen stellte der Cavaliere selbst - und dort hatte er dann leichtes Spiel: Schon am Vormittag sprachen ihm 162 von 308 Abgeordneten der Kammer der Regionen das Vertrauen aus.

Nachdem auch die zweite Abstimmung erfolgreich verlief, war die Freude bei den Anhängern des Premiers groß: "Berlusconi wird ein neues politisches Kapitel öffnen", freut sich sein Parteikollege Enzo Ghigo. Auch Erleichterung macht sich breit, denn Neuwahlen sind damit - zumindest vorläufig - vom Tisch. Die hatte Berlusconi für den Fall eines erfolgreichen Misstrauensantrags angekündigt.

In einer Regierungserklärung hatte er am Montag noch einmal an das Verantwortungsbewusstsein der Abtrünnigen um Fini appelliert und alle gemäßigten Kräfte im Parlament zur Zusammenarbeit in Zeiten der Finanzmarktkrise aufgerufen.

Bis in die Nacht hinein hatte Berlusconi hektische Gespräche geführt, um einzelne Wackelkandidaten zu überzeugen. Es ist ihm geglückt - nicht nur im Fall von Catia Polidori.

Zu früh hatte sich nach der Entscheidung im Senat Antonio Di Pietro gefreut. Der Vorsitzende der Anti-Korruptions-Partei Italia dei Valori hatte die "Herrschaft des Pappmasché-Premiers" für beendet erklärt. Hartnäckig hielten sich bis zuletzt Gerüchte, Stimmen seien gekauft worden.

Die Abstimmungen in Rom waren von lauten Protesten auf der Straße begleitet: Auf der Piazza Venezia flogen Feuerwerkskörper durch die Luft. Aus dem ganzen Land sollen 80 Busladungen Demonstranten angerollt sein. Nach Angaben der Organisatoren beteiligten sich etwa 100.000 Menschen an den Protesten, die sich auch gegen die geplante Hochschulreform richteten.

In Palermo auf Sizilien besetzten mehr als 500 Schüler und Studenten kurzzeitig die Landebahn des Flughafens. Andere Demonstranten besetzten in Palermo Gleise und verursachten damit Störungen im Zugverkehr.

Im norditalienischen Mailand, der Heimatstadt Berlusconis, drangen etwa 50 Studenten in die Börse ein. Weitere Demonstrationen fanden in den norditalienischen Städten Genua und Turin und im Süden des Landes in Neapel und Bari sowie in Cagliari auf Sardinien statt.

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