Missbrauchsskandal:Klatsche für Marx

Schwierige Tage für den Münchner Erzbischof: Der Vatikan hat die Führung des Kloster Ettals rehabilitiert. Für Marx, der die Aufklärung der Missbrauchsfälle vorantreibt, ist das eine Niederlage.

Matthias Drobinski

Der Triumph kommt leise daher; die Benediktiner des Klosters Ettal haben den Brief von Kardinal Franc Rodé, dem Präfekten der Ordenskongregation, einfach auf ihre Internetseite gestellt. Dort steht: "Abt Barnabas Bögle und Prior Maurus Kraß haben am 24. beziehungsweise 25. Februar auf ihr jeweiliges Amt verzichtet. Seitens dieses Diskasteriums steht einer Neuwahl der beiden nichts entgegen."

Reinhard Marx, 2010

Reinhard Marx, der Erzbischof von Freising und München, treibt die Aufklärung der Missbrauchsfälle mit Härte und einigem Machtbewusstsein voran - offenbar zu viel Machtbewusstsein aus Sicht des Vatikans.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bögle und Kraß waren zurückgetreten, als bekannt wurde, dass im Internat und in der Klosterschule bis in die 90er Jahre Buben geschlagen, gequält und missbraucht worden waren. Über die Umstände des Rücktritts gibt es höchst unterschiedliche Darstellungen: Aus Sicht des Klosters übte das Erzbistum unerträglichen Druck auf die Führung des Klosters aus, obwohl es kein Recht dazu hatte und obwohl Bögle und Kraß alles taten, um die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten.

Beim Erzbistums dagegen sah man sich zum Eingreifen gezwungen, weil das Kloster mindestens einen Fall hätte dem Erzbistum melden müssen, weil es weiterhin verschweige und vertusche. Nun hat das Kloster Ettal Recht bekommen. Die beiden von Rom ernannten Visitatoren - es sind, ganz zufällig, zwei Benediktiner - seien überzeugt, "dass Abt Barnabas alles getan hat, was von der Sache her geboten war".

Es sind schwierige Tage für den Münchner Erzbischof Reinhard Marx, der die Aufklärung der Missbrauchsfälle in Bayern mit großer Energie, Härte und einigem Machtbewusstsein vorantreibt. Der Vatikan hat ihm nun in mehreren Entscheidungen zu verstehen gegeben, dass er Marx' Machtbewusstsein für zu groß hält.

Am 1. Juli rüffelte Papst Benedikt XVI. die deutschen Bischöfe für ihren Umgang mit dem zurückgetretenen Augsburger Amtsbruder Walter Mixa: Sie sollten nun, "nach einer Zeit oft maßloser Polemik", "Bischof Mixa mehr als bisher ihre freundschaftliche Nähe" spüren lassen. Da war an vorderer Stelle Marx gemeint.

Der dürfte sich auch kaum Konrad Zdarsa aus Görlitz als neuen Bischof von Augsburg gewünscht haben, doch seine Favoriten aus München oder Augsburg kamen nicht zum Zug; es war vielmehr, als hätte der Papst auf der Landkarte den von Augsburg am weitesten entfernten Bischof gesucht, der nichts mit bayerischen Machtspielen zu tun hat.

Die Entscheidung erfuhr Marx offenbar erst nach der bayerischen Staatsregierung - mitbestimmen konnte er schon gar nicht. "Der Papst hält uns alle für Seppln", kommentierte ein bayerischer Kirchenverantwortlicher verärgert den Vorgang. Ein Vertrauensbeweis war das jedenfalls nicht.

Und nun die Niederlage Ettal, wo die Situation verworren ist: Die Abtei ist kirchenrechtlich vom Erzbistum unabhängig, Marx hat aber eine Aufsichtspflicht über den Betrieb der kirchlichen Schulen im Erzbistum. Das Kloster müht sich nun um Aufarbeitung, es gibt aber auch die glaubwürdig vorgetragene Kritik von Opfern, dass dieses Bemühen durchaus Grenzen habe. "Die Opfer stehen bei uns im Mittelpunkt", sagt dagegen Michael Müller, der Sprecher des Klosters; bald schon werde man erklären, was das Kloster für sie zu tun gedenke. Der neue Abt müsse bis 31. Juli gewählt sein, und ja, es sei nicht unwahrscheinlich, dass er wieder Barnabas Bögle heißen werde.

Bistums-Sprecher Bernhard Kellner sagt, man respektiere die Entscheidung aus Rom. Und selbstverständlich stehe der Rückkehr von Abt Bögle sowie Prior Kraß nichts im Weg, "nach Abschluss aller offenen Fragen im Umgang mit Missbrauchsfällen". Ein Friedensschluss hört sich jedenfalls anders an.

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