Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen:"Dann muss man das tun"

Ausgeschlossen, dass sie etwas ausschließt: Hannelore Kraft war immer gegen eine Minderheitsregierung und wird nun doch Chefin einer solchen. Immerhin hat sie einen Fehler vermieden.

Wolfgang Jaschensky

Hannelore Kraft schließt nichts, aber auch gar nichts aus. Zumindest nicht in ihrem politischen Leben. Natürlich ist nicht ganz auszuschließen, dass die nordrhein-westfälische SPD-Landeschefin ganz privat schon einmal ausgeschlossen hat, mit Jürgen Rüttgers ein Bier trinken zu gehen.

Hannelore Kraft

"Wir sind in einer wichtigen Phase für Nordrhein-Westfalen. Wir müssen eine tragfähige, stabile Regierung bilden, keine Minderheitsregierung", sagte Hannelore Kraft nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen. Ausgeschlossen hat sie nichts. Das Foto zeigt sie bei Sondierungsgesprächen hinter verschlossenen Jalousien.

(Foto: ap)

In der Politik aber hat die Beinahe-Gewinnerin der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und Vielleicht-bald-Ministerpräsidentin des Landes von Andrea Ypsilanti gelernt. Die hessische Parteifreundin hatte vor der Landtagswahl in Hessen im Jahr 2008 ein Bündnis mit den Linken ausgeschlossen und nach der Wahl ein Bündnis mit den Linken angestrebt. Diese Wende ging so dramatisch daneben, dass die einst hoffnungsvollste SPD-Politikerin sich von dieser Pleite wohl nie mehr erholen wird.

Wohl auch deshalb schloss Kraft, die derzeit hoffnungsvollste SPD-Politikerin, weder vor noch nach der Wahl irgendetwas aus. Eine Koalition mit den Linken genauso wenig wie eine rot-grüne Minderheitsregierung. Gleichzeitig ließ Hannelore Kraft keine Gelegenheit aus, zu betonen, wie wenig attraktiv ihr diese Möglichkeiten erscheinen: Die Linke ist pfui und eine Minderheitsregierung ist es auch.

Erst als die FDP bald nach der Wahl signalisierte, an einer Ampelkoalition kein Interesse zu haben, wagte sich die SPD-Landeschefin in Koalitionsgespräche mit der Pfui-Partei. Sie hatte ja nichts ausgeschlossen. Doch schon nach dem ersten Treffen stand für Kraft fest: "Wir sind zu der Einschätzung gelangt, dass die Linkspartei weder koalitions- noch regierungsfähig ist."

Ähnlich verhielt sich Kraft in Sachen Minderheitsregierung. Nach der Wahl, als klar war, dass Rot-Grün nur eine Stimme im Parlament für eine eigene Mehrheit fehlt, geisterte das Phantom Minderheitsregierung plötzlich durch die Medien und durch die Flure des politischen Betriebs in Düsseldorf und Berlin. Klar, Ampel, große Koalition, das waren die realistischen Optionen und die ausgesprochenen Favoriten der SPD. Aber Hannelore Kraft schloss nichts aus.

"Wir sind in einer wichtigen Phase für Nordrhein-Westfalen. Wir müssen eine tragfähige, stabile Regierung bilden, keine Minderheitsregierung, die von einer Tolerierung anderer abhängt", gab sie in einem Interview drei Tage nach der Wahl zu Protokoll. Die Sozialdemokraten buhlten dann hartnäckig um die FDP und hofften für einige Zeit sogar, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in der CDU zu entmachten und Kraft irgendwie zur Ministerpräsidentin einer großen Koalition machen zu können.

Doch als all diese Träume platzten und auch die Koalition mit den Linken, da wuchs der Druck aus der Bundespartei, doch eine Minderheitsregierung einzugehen. Denn solange die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf noch im Amt ist, haben Union und FDP eine Mehrheit im Bundesrat. Am Montag ermunterte Parteichef Sigmar Gabriel seine Parteifreundin erstmals öffentlich, eine Minderheitsregierung in Erwägung zu ziehen - spätestens wenn der Bundesrat im Herbst über die Laufzeiten für Atomkraftwerke entscheidet.

Im Video-Interview mit sueddeutsche.de bereitete Kraft am Mittwoch dann ihre Kehrtwende in Sachen rot-grüner Minderheitsregierung rhetorisch vor. Eine Minderheitsregierung sei eine schwierige Situation. Das müsse man sich genau überlegen, sagt sie - und schiebt dann nach: "Es kann notwendig sein, wenn es um Inhalte geht. Es kann notwendig sein, wenn es darum geht, Schaden von Nordrhein-Westfalen abzuwenden. Dann muss man das tun."

Jetzt tut sie es. Ausgeschlossen hat es Hannelore Kraft ja nie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: