Russland:Putins Militärmanöver beunruhigt Nato

Russland: Unter Beobachtung: Russische Militärübung bei Moskau.

Unter Beobachtung: Russische Militärübung bei Moskau.

(Foto: Pavel Golovkin/AP)

Moskaus "Zapad" findet direkt an der Grenze zum Nato-Gebiet statt. Westliche Generäle warnen vor einem Angriff auf Bündnispartner.

Von Julian Hans, Moskau

  • Aufgabe der russischen und weißrussischen Einheiten wird es sein, eine fiktive Seperatisten-Bewegung und einen Nato-Angriff abzuwehren.
  • Der Oberbefehlshaber der US-Landstreitkräfte in Europa, Frederick Hodges, warnte vor einem "trojanischen Pferd".
  • Polen, Lettland und Litauen haben vor einem Angriff Russlands Angst. 2014 hatte ein Manöver zur Annexion der Krim geführt.

Im Skript für die Übung "Zapad 2017" steht eine Verteidigungsübung: Die Staaten Weischnoria, Wesbaria und Lubenia wollen einen Keil zwischen Russland und Weißrussland treiben und die Regierung in Minsk stürzen. Weischnoria will sich einige Gebiete im Westen von Weißrussland aneignen. Zu diesem Zweck werden Spione eingeschleust und eine Separatisten-Bewegung aufgebaut.

Hinter den Fantasiestaaten sind leicht die Nato-Mitglieder Polen, Lettland und Litauen zu erkennen. Mit der Westverschiebung Polens nach dem Zweiten Weltkrieg wurden tatsächlich einige Gebiete der Belarussischen Sowjetrepublik zugeschlagen, die früher zu Warschau gehört hatten.

Aufgabe der weißrussischen und russischen Einheiten wird es bei der Übung zwischen 14. und 20. September sein, die Aufrührer zu stoppen und den Angriff der Nato zurückzuschlagen. Aus der Perspektive westlicher Generäle kann das Manöver indes ganz anders gedeutet werden - als Übung für einen Angriff auf Polen und das Baltikum. Der Oberbefehlshaber der US-Landstreitkräfte in Europa, Frederick Hodges, warnte vor einem "trojanischen Pferd".

Zwar üben die Streitkräfte Russlands und Weißrusslands auf diese Weise seit der Auflösung der Sowjetunion bereits zum vierten Mal. "Zapad"-Manöver finden alle vier Jahre im Herbst statt. Aber seit Russland im Februar 2014 ein Manöver an seiner Westgrenze nutzte, um die Krim zu annektieren und den Krieg im Donbass vorzubereiten, sind die Nachbarn aufgeschreckt. Die Regierung in Kiew äußerte die Befürchtung, mit der Übung könne ein neuer Angriff auf ihr Staatsgebiet verschleiert werden.

Russische Heimlichtuerei

Sorge macht der Nato, dass Moskau in seinen offiziellen Erklärungen die Zahl der Teilnehmer kleinrechnet. Insgesamt würden an "Zapad 2017" nur 12 700 Soldaten teilnehmen, teilte das russische Außenministerium mit. Die Zahl liegt knapp unter der Grenze, zu der ausländische Beobachter zugelassen werden müssen.

Sie passt laut Experten nicht zu den Angaben anderer Offizieller. So soll das Manöver auf sechs Übungsplätzen abgehalten werden, 70 Hubschrauber und Flugzeuge und 250 Panzer sind beteiligt, mehr als 4000 Eisenbahnwaggons bringen Wehrtechnik direkt an die Nato-Grenzen. Vize-Admiral Alexander Nosatow verkündete, am Manöver werde "praktisch die ganze Baltische Flotte in der einen oder anderen Form teilnehmen". Laut Russlands stellvertretendem Verteidigungsminister Alexander Fomin sind die Nationalgarde, der Geheimdienst FSB und der Katastrophenschutz eingebunden.

Tatsächlich könnte die Zahl der Teilnehmer an die 100 000 erreichen, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Donnerstag in Tallinn. Dafür spricht, dass bei den russischen Großübungen "Zentr 2015" und "Kawkaz 2016" jeweils mehr als 100 000 Soldaten beteiligt waren.

Anders als diese Übungen wird "Zapad" aber gemeinsam mit Weißrussland durchgeführt. Dessen Präsident Alexander Lukaschenko hat sich von Moskaus Ukraine-Politik stets distanziert - aus Angst, seinem Land könne eines Tages Ähnliches widerfahren.

Lukaschenko kann seine Politik als "swing state" zwischen dem Westen und Moskau nur fortsetzen, wenn er sich nicht von einer Seite vereinnahmen lässt. Die Regierung in Minsk hat denn auch deutlich großzügigere Einladungen an westliche Militärbeobachter und Journalisten ausgesprochen als Moskau.

Der Moskauer Militärexperte Alexander Golz vermutet einen anderen Grund hinter der russischen Heimlichtuerei: Obwohl Moskau immer neue Einheiten gründe, bleibe die Zahl der Soldaten konstant, schreibt er in der in Moskau erscheinenden New Times. Das könne nur heißen, "dass die neuen Divisionen unvollständig und damit nicht abwehrbereit sind. Das möchte man vor den ausländischen Beobachtern gern verbergen".

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