Militärplan für Ägyptens Zukunft:In fünf Schritten aus der Krise

Ägypten hat eine Menge politischer Arbeit vor sich: Die Pläne der Armee sehen eine Übergangsregierung aus Technokraten vor, angeführt von Verfassungsrichter Adli Mansur. Die Vorbereitungen für Neuwahlen dürften von Misstrauen begleitet sein: Ist das Militär wirklich gewillt, zurückzustecken?

Von Tomas Avenarius, Kairo, und Michael König

Es war ein nüchterner Auftritt. Armeechef Abdel Fattah al-Sisi verzog keine Miene, als er am Mittwochabend in Kairo vor die Kameras trat. Doch seine Worte markierten einen Einschnitt in der Geschichte Ägyptens, sie bedeuteten die Absetzung des Präsidenten Mohammed Mursi und - so die Hoffnung seiner Gegner - den erneuten Aufbruch des Landes in Richtung Demokratie.

Die zweieinhalb Jahre seit dem Ende der Alleinherrschaft von Hosni Mubarak sind teils chaotisch verlaufen: Dem haushohen Sieg der Islamisten bei der Parlamentswahl folgte ihr hauchdünner Erfolg bei der Präsidentenwahl. Nach dem Streit um eine im Ansatz islamistisch geprägte Verfassung verfügte ein Gericht die Auflösung des Unterhauses, es begann ein schier endloses Gerangel um die Herrschaft über die staatlichen Institutionen. Nach der Absetzung Mursis soll all diese Probleme, die das Land gespalten haben, nun eine Roadmap der Armee lösen. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit ein ehrgeiziger Plan.

Army soldiers react as they take their positions in front of protesters who are against Egyptian President Mohamed Mursi, near the Republican Guard headquarters in Cairo

Das Militär bereitet sich seit Mittwoch auf die Übernahme der Macht in der ägyptischen Hauptstadt vor

(Foto: REUTERS)

Die Armee will garantieren, dass der Staat in Zukunft auf Säulen steht, die Ägyptens gesamte Gesellschaft nach dem gescheiterten Durchmarschversuch der Fundamentalisten akzeptieren kann: mit der also gemäßigte Muslime, Christen, Liberal-Weltliche, die konservativ-traditionell denkende Landbevölkerung, modern eingestellte Frauen und auch moderate Islamisten leben können.

Vorrangig sind zudem die Stabilisierung der zusammenbrechenden Wirtschaft und der teils maroden Infrastruktur. Inflation, Arbeitslosigkeit und der rapide Verfall der Energieversorgung in den vergangenen Monaten haben maßgeblich zum Aufstand gegen Mursi beigetragen.

Die folgenden Schritte verkündete al-Sisi in seiner TV-Ansprache (hier auf Englisch nachzulesen):

  • Die Verfassung wird vorübergehend ausgesetzt. Dieser erste Punkt ist die Grundlage für den Putsch, sie beraubt Präsident Mursi seiner Rechte und ermöglicht dem Militär, ihn unter Arrest zu stellen.
  • Der Präsident des Verfassungsgerichts wird Interimspräsident. Er heißt Adli Mansur, ist 67 Jahre alt und im Volk weitgehend unbekannt. "Sein Foto war auf keiner der Demonstrationen zu sehen", schreibt der arabische TV-Sender al-Dschasira auf seiner Website. Mansur hat Teile seines Studiums in Frankreich verbracht. Er ist seit 1992 Richter am höchsten Gericht Ägyptens, den Vorsitz übernahm er dort erst vor wenigen Tagen. Das Gericht galt als Gegenspieler Mursis und der Muslimbrüder.
  • Der Interimspräsident soll vorgezogene Wahlen ausrufen. Mit diesem Punkt signalisiert das Militär, dass es gewillt ist, die Macht wieder abzugeben. Daran herrschen allerdings begründete Zweifel. Nach dem Sturz Mubaraks dehnte der Oberste Militärrat eine angebliche "Übergangsphase" auf 18 Monate aus. Erst nach massiven Protesten löste die Armee ihr Versprechen ein, den Weg zur Demokratie freizumachen. Wird dieses Mal alles anders?
  • Eine Technokraten-Regierung soll eine neue Verfassung ausarbeiten. Wer daran teilnehmen soll, sagte al-Sisi in seiner Ansprache nicht. Direkt im Anschluss erteilte der Armeechef jedoch Mohammed ElBaradei das Wort, dem Friedensnobelpreisträger und Anführer der Liberalen. Ihm könnte die Rolle des Premierministers zufallen. Auch Vertreter von Christen, Salafisten und der Tamarod-Jugend meldeten sich auf Geheiß der Armee zu Wort. Experten interpretieren das als Signal der Armee, konsenswillig zu sein. Der von der Technokraten-Regierung ausgearbeitete Verfassungsentwurf soll laut al-Sisi dem Verfassungsgericht zur Überprüfung vorgelegt werden.
  • Die Meinungs- und Pressefreiheit soll gewahrt bleiben. Dafür werde die Armee sorgen, sagte al-Sisi. Kurz darauf gab es allerdings Berichte, islamistische TV-Sender seien abgeschaltet worden, Muslimbrüder und ihre Anhänger würden verfolgt. Die Muslimbrüder sprechen von einer Liste mit 300 Mitgliedern, nach denen gefahndet werde. Unklar ist auch, was aus Mursi, der unter Arrest steht, und seinem engsten Vertrautenkreis wird.

Linktipp: Die aktuelle Entwicklung in Ägypten im SZ-Newsblog.

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