Militäreinsatz im Irak:Frankreich marschiert voran

A French army delegation, led by Army Chief of Staff General Bertrand Ract-Madoux, visits a French position in the Terz valley, south of Tessalit in northern Mali

Eine französische Armee-Delegation besucht im März 2013 einen Truppenstützpunkt in Mali.

(Foto: REUTERS)

Libyen, Mali und nun der Irak: Die Franzosen zögern selten, wenn es um Militäreinsätze im Ausland geht. Das hat mit ihren Wirtschaftsinteressen zu tun - und mit der Angst vor Dschihad-Rückkehrern. Doch die einsatzfreudige Regierung plagt ein Problem.

Von Stefan Ulrich

Wenn es ums Sparen und Reformieren im eigenen Land geht, gehörte Frankreich oft zur Koalition der Unwilligen. Völlig anders verhält es sich in der Außen- und Sicherheitspolitik, und insbesondere bei Militäreinsätzen. Hier marschiert das Land gern allein oder mit Partnern voran, und zwar unabhängig davon, ob es von einem rechten oder einem linken Präsidenten regiert wird.

So interventionsskeptisch die Stimmung in Deutschland ist, so einsatzfreudig ist sie in Frankreich. Allein seit 2011 engagierte sich das Land militärisch in der Elfenbeinküste, in Libyen, Mali und der Zentralafrikanischen Republik. Vergangenes Jahr hätte sich Paris auch an Luftschlägen gegen das syrische Assad-Regime beteiligt, wenn die USA sich nicht gegen solche Angriffe entschieden hätten. Nun also der Irak.

Schon seit Wochen bereitet die Regierung um den sozialistischen Präsidenten François Hollande die Bürger darauf vor, dass Frankreich auch dort bald kämpfen wird, um die Terrororganisation Islamischer Staat zu bekämpfen. Im August begann Paris, neben humanitären Hilfsgütern auch Waffen an die irakischen Kurden zu liefern, die sich im Norden des Landes den Terroristen entgegenstemmen. Auf einer Botschafterkonferenz Ende August sagte Hollande dann noch halbwegs kryptisch: "Wir können es nicht dabei belassen."

Es geht also Schlag auf Schlag

Ein paar Tage später schob er nach, eine womöglich nötig werdende militärische Antwort müsse das Völkerrecht respektieren. Am Mittwoch präzisierte sein Außenminister Laurent Fabius, Frankreich könnte bei Luftangriffen auf den Islamischen Staat mitmachen. Am Freitag informierte sich Hollande in Bagdad und Erbil über die Lage, bevor er am kommenden Montag bei einer internationalen Konferenz in Paris zum breiten Bündnis gegen die Terroristen aufrufen wird.

Es geht also Schlag auf Schlag: erst politisch und diplomatisch, und schon bald wohl militärisch. Auch viele Oppositionspolitiker von den Konservativen bis hin zur Rechtsextremen Marine Le Pen billigen das. Kritische Stimmen, wie etwa der frühere Premier Dominique de Villepin, sind rar oder klingen verhalten. Die Empörung, die etwa der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck Anfang dieses Jahres auslöste, als er Deutschland aufforderte, mehr Verantwortung - und zwar auch militärische - in der Außen- und Sicherheitspolitik zu übernehmen, wäre im Nachbarland kaum denkbar.

Der Armee fehlt Geld

Dabei schwangen Deutschland und Frankreich noch vor elf Jahren gleich, als sich ihre Regierungen gemeinsam gegen den amerikanischen Irak-Krieger George W. Bush stellten. Heute scheinen die beiden großen EU-Länder in verschiedenen Welten zu leben, wenn es um Militärinterventionen geht. Während Deutschland über die Lieferung von Nachtsichtgeräten und Panzerabwehrraketen an die Kurden streitet, macht Frankreich seine Rafale-Kampfflugzeuge startklar.

Diese hohe französische Interventionsbereitschaft speist sich aus mehreren Quellen. Erstens betrachtet sich Frankreich heute zwar nur noch als Mittelmacht - aber als eine mit weltweiten Interessen. Das Kolonialreich hat sich aufgelöst, intensivste politische und wirtschaftliche Beziehungen, beispielsweise in Afrika, sind aber geblieben. Dies gilt sogar für den Irak, wo der Total-Konzern unter anderem in Erbil aktiv ist. In etlichen Krisenländern leben viele Franzosen. Die Stabilität solcher Staaten zu bewahren und vor Extremisten zu schützen - wenn es sein muss, auch militärisch - gilt als geboten und legitim.

Vorkämpfer für die Freiheit der Völker

Zudem begreift sich Frankreich als Land der Menschenrechte und der Großen Revolution zumindest unterschwellig als Vorkämpfer für die Freiheit der Völker. Das mag erklären, warum sich hier oft auch Menschenrechtler, Philosophen und Schriftsteller für Militärschläge aussprechen, die anderswo eher im Lager der Gegner zu finden sind. Ein Beispiel war die Libyen-Intervention, zu der der damalige Präsident Nicolas Sarkozy von dem Philosophen Bernard-Henri Lévy und anderen Intellektuellen geradezu gedrängt wurde.

Zweitens fühlen sich die Franzosen von den Dschihadisten nicht nur in ihren weltweiten Interessen, sondern auch im eigenen Land bedroht. In den Trabantenstädten der französischen Metropolen wachsen Abertausende junge, schlecht ausgebildete, beruflich perspektivlose Jugendliche muslimischer Herkunft auf, auf die sich die Anwerber für den Dschihad konzentrieren. "Mehrere Hundert Franzosen sind als Dschihadisten im Irak und in Syrien", sagt Außenminister Fabius. Das sind wohl mehr als aus irgendeinem anderen westlichen Land. Etliche von ihnen kehren nach Frankreich zurück. Auch deswegen möchte die Regierung Hollande nicht, dass "fünf Flugstunden von Paris entfernt ein islamistisches Refugium entsteht", wie es in Diplomatenkreisen in Paris heißt.

Die Franzosen haben etliche Auslandsbasen

Dritter Grund: Frankreich hat die militärischen Möglichkeiten für ein weltweites Eingreifen. Die Fremdenlegion ist bestens für solche Einsätze trainiert und verfügt über viel Kampferfahrung. Zudem haben die Franzosen etliche Auslandsbasen. So sind in Abu Dhabi - und damit in Irak-Nähe - einige Rafale-Kampfflugzeuge stationiert. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian will kommende Woche dorthin reisen. Der französische Auslandsgeheimdienst DGSE ist gut in der arabischen Welt vernetzt und auch in den irakischen Kurdengebieten aktiv. Dort operieren auch einige französische Spezialkräfte, ohne sich bislang an Kampfeinsätzen zu beteiligen.

Ein Problem plagt jedoch auch den einsatzfreudigen Hollande: Angesichts der Finanzmisere in seinem Land und der vielen Auslandseinsätze droht seiner Armee bald das Geld auszugehen.

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