Militär-Etat:Deutschlands Beitrag zur Nato ist zu gering

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Nato-Fahne vor dem Hauptquartier in Brüssel. Deutschland muss sich in dem Bündnis stärker engagieren. (Foto: REUTERS)

Die Bundeswehr muss als Mitglied der Allianz ihren Teil zu einer glaubhaften Abschreckung garantieren. Wenn nicht, liefert sie dem irrlichternden US-Präsidenten einen Vorwand.

Kommentar von Joachim Käppner

So mühsam das erste Treffen mit dem Wüterich im Weißen Haus für Angela Merkel gewesen sein mag: Es trug den Charakter eines Wellness-Wochenendes, verglichen mit dem, was ihr Vorgänger Ludwig Erhard an selber Stelle erlebte. 1965 erhielt der Bundeskanzler in Washington eine fürchterliche Abreibung, die Erhards Biograf Volker Hentschel so beschrieb:

"Der Präsident trat bedrohlich an Erhard heran. Ein verbaler Sturzbach, Larmoyanz im Wechsel mit Drohungen, ergoss sich über den unbehaglich in seinen Stuhl gedrückten Kanzler." Lyndon B. Johnson verlangte 100 Millionen Dollar sowie Bundeswehrsoldaten für den Krieg in Vietnam - die er nicht bekam, zum Glück.

Der Streit mit den USA um den deutschen Militärbeitrag ist so alt wie die Bundeswehr: Wenn die reichen Germans für ihre eigene Verteidigung nicht zahlen wollen, warum sollten die USA ihnen das ewig abnehmen? Mal hatte die eine Seite bessere Argumente, mal die andere. 2003 widersetzte sich die rot-grüne Bundesregierung aus guten Gründen dem unseligen Irakkrieg der USA. Trump hat nun der Kanzlerin nachgetwittert, ihr Land schulde der Nato und den USA bei den Militärausgaben "riesige Summen".

Der deutsche Beitrag zur Nato ist einfach zu klein geworden

Dagegen verwahren sich die Deutschen; sie zeigen, wenn man so will, Tapferkeit vor dem Freund. Freilich klafft in dieser line of defense, anders als in den früheren, eine arge Lücke: Wie die anderen Nato-Staaten hat Deutschland 2002, damals unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder, selber versprochen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben.

In Wales 2014 haben die Nato-Mitglieder vereinbart, dieses Ziel innerhalb der nächsten zehn Jahre zu erreichen. Nur wenigen von ihnen ist das gelungen, einschließlich der USA, die den Löwenanteil tragen, andere versuchen es gar nicht erst. Derzeit schafft die Bundesrepublik nur mühsam 1,23 Prozent - und spielt damit Trump in die Hände. Sie liefert ihm die Vorwände auf dem Tablett, sollte der irrlichternde Präsident die Nato tatsächlich zugunsten von "America first!" schwächen oder gar zum Altmetallschrott der Geschichte werfen wollen.

Es stimmt schon, was die Deutschen zu ihrer Rechtfertigung vorbringen: Da die zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt abhängen, wären die Ausgaben bei einer blühenden Wirtschaft wie der deutschen unverhältnismäßig hoch; Deutschland habe bei den Auslandseinsätzen viel geleistet, was nicht in die Berechnung einfließt; das Zwei-Prozent-Ziel sei eine Absichtserklärung unter Vorbehalt.

Wie die Nato-Länder beruhigen, ohne Russland zu verschrecken?

Doch selbst wenn man das berücksichtigt, ist der deutsche Beitrag, wie in vielen Nato-Ländern, nach Jahren der Abrüstung einfach zu klein geworden. Im Wahljahr kann freilich niemand erwarten, dass die Kanzlerin dafür eintritt, den Wehretat fast zu verdoppeln. Viele Deutsche begegnen, als historisch gebrannte Kinder, dem Militärischen ohnehin mit Skepsis - der Grund, warum SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schon sagt, eine "Aufrüstungsspirale" sei mit ihm nicht zu machen.

Viel wichtiger wäre daher die Frage: Was wird wirklich gebraucht? Nach Jahren der Auslandseinsätze mit sehr gemischter Bilanz hat die Politik dann während der Ukrainekrise entdeckt: Die Bundeswehr ist zu ihrer eigentlichen Aufgabe, der Landes- und Bündnisverteidigung, kaum noch fähig. Ein erheblicher Teil der wenigen verbliebenen Panzer ist nicht einsatzbereit, ganze Teile der Luftabwehr existieren praktisch nicht mehr, und so fort. Um den Kommandeur der US-Landstreitkräfte in Europa, Ben Hodges, zu zitieren: Er achte die deutschen Freunde und ihre Fähigkeiten; aber noch lieber wäre es ihm, sie hätten Hubschrauber, die auch fliegen können.

Die Bundeswehr wird deutlich mehr Geld bekommen müssen - weniger um aufzurüsten, als um die Lücken zu schließen. Ob die Zahl nachher 1,4 oder 1,6 oder 2,0 Prozent lautet, darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist nicht Quantität, sondern Qualität: Die Bundesrepublik muss als Mitglied der Nato ihren Teil zu einer glaubhaften Abschreckung garantieren.

Es bleibt die Frage, wie man dies so leistet, dass die osteuropäischen, durch Putins Machtspiele verschreckten Beitrittsländer beruhigt sind, ohne dass der Westen gleichzeitig in Russland Ängste weckt. Diese nämlich stecken ebenfalls tief. 2016 verstrich der 75. Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion, ohne dass in der Bundesrepublik in angemessener Weise der Opfer dieses Vernichtungskrieges gedacht wurde. Stattdessen schickte Deutschland einige, freilich mühselig zusammengekratzte, Panzer an die russische Grenze und übernahm in Litauen die Führung von Nato-Operationen. So bleibt ein seltsamer Beigeschmack - und das Bedürfnis, das Wort Sicherheit nicht auf das Militärische zu reduzieren.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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