Militär:"Aus meiner Sicht völlig irrational"

Außenminister Gabriel in Litauen

"Die Sorgen der baltischen Staaten gegenüber einer potenziellen Bedrohung durch Russland sind riesengroß", sagte Sigmar Gabriel in Litauen.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Außenminister Gabriel besucht in Litauen deutsche Soldaten der Nato-Einheiten. Deutliche Worte findet er für den russischen Truppenaufmarsch.

Für Sigmar Gabriel sind die osteuropäischen Wochen angebrochen. Der neue Außenminister reist derzeit durch das Baltikum und die Ukraine. Für kommende Woche hat das Auswärtige Amt bereits einen Antrittsbesuch in Polen angekündigt. Und dann steht auch noch am 9. März sein erster Besuch im neuen Amt in Moskau an. Bei einem Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow werde es um die Konflikte in der Ukraine, in Syrien und Libyen gehen. Das kündigte Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag in Moskau an.

Vielleicht geht es aber auch um die Nato und das Baltikum. Gabriel kritisierte nämlich in Litauen den massiven russischen Truppenaufmarsch jenseits der Grenzen des Baltikums. "Das Militärpotenzial, das die russische Föderation hier an den Grenzen aufgebaut hat, ist aus meiner Sicht völlig irrational, weil von den drei Staaten hier null Bedrohung ausgeht", sagte der Minister am Donnerstag bei einem Besuch der etwa 400 deutschen Soldaten, die als Teil der Nato-Abschreckungsmaßnahmen gegen Russland im litauischen Rukla stationiert sind. Er habe großen Respekt vor ihrer Aufgabe, betonte der Vizekanzler. Auf die Frage nach der Dauer des Einsatzes sagte Gabriel, die deutschen Soldaten würden so lange bleiben, wie es nötig sei. Russland hat nahe den Nato-Grenzen große Truppenverbände zusammengezogen.

Als Konsequenz aus der Ukraine-Krise schickt die Nato erstmals größere Kampfverbände nach Osteuropa. In den drei baltischen Staaten und Polen soll jeweils ein multinationales Bataillon mit gut 1000 Soldaten stationiert werden. Deutschland führt den Verband in Litauen und hat außer den Soldaten auch einige Leopard-Panzer nach Rukla verlegt, das etwa 100 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt. Die osteuropäischen Staaten fühlen sich durch Russland bedroht, das 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert und damit nach Jahrzehnten der Abrüstung eine Zeitenwende in der Sicherheitspolitik des Westens ausgelöst hatte. Zuvor war Gabriel mit der litauischen Staatspräsidentin Dalia Grybauskaitė zusammengekommen. Diese drang zuletzt auf ein stärkeres Nato-Engagement.

Die Debatte über die Finanzierung der Nato war auch Thema in Estland, das gerade von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besucht wird. Die CDU-Politikerin beharrt ungeachtet des Widerstandes der SPD auf einer Erhöhung der Militärausgaben. "Ich finde wichtig, sich an Fakten zu halten", sagte sie am Donnerstag bei einem Besuch der Nato-Luftraumüberwachung. Ein Nato-Beschluss verlangt, dass die Mitgliedsstaaten bis 2024 mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fürs Militär ausgeben sollen. Gabriel hält das für unrealistisch. Er hatte seine Kollegin deshalb als "naiv" kritisiert. Berlin wendet momentan 1,22 Prozent auf.

Es gebe eine breite Akzeptanz, dass die Soldaten der Bundeswehr gut ausgerüstet sein müssen, sagte die Ministerin. Bei der Steigerung des Wehretats gehe es auch um Verlässlichkeit gegenüber Nato-Partnern. "Das ist nicht in einem Jahr getan. Sondern wir brauchen mit langem Atem stufenweise über die nächsten Jahre eine verlässliche Finanzierung in der Bundeswehr. Auch das ist breit anerkannt."

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