Migrationspolitik:Merkel und Seehofer streiten wieder

Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Dürfen Asylsuchende direkt an der Grenze zurückgeschickt werden, wenn sie bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind? Merkel und Seehofer sind uneins.

(Foto: dpa)
  • CSU-Landesgruppenchef Dobrindt forderte unlängst, Asylsuchende an der deutschen Grenze zurückzuschicken, falls sie bereits in einem anderen EU-Land registriert sind.
  • Zwischen Innenminister Seehofer und Kanzlerin Merkel ist darüber nun ein Streit ausgebrochen, sie ist gegen die CSU-Forderung.
  • Als Konsequenz sagt Seehofer die für Dienstag geplante Vorstellung seines "Masterplans" zum Thema Migration ab.

Von Stefan Braun und Nico Fried , Berlin

Wenige Wochen nach Bildung einer neuen Bundesregierung tobt der Streit um die Flüchtlingspolitik in den Unionsparteien wieder mit voller Wucht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die für Dienstag geplante Vorstellung seines lange angekündigten Masterplans zur Asylpolitik vorerst verschoben, nachdem er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht in allen Punkten einig geworden ist.

Ein entsprechender Bericht der Bild-Zeitung wurde am Montag in Kreisen der Koalition bestätigt. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, Merkel und Seehofer wollten einige Punkte noch miteinander besprechen. Wichtigster Streitgegenstand ist die Frage von Zurückweisungen an der Grenze. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte vor einigen Tagen gefordert, dass Flüchtlinge, die bereits in einem anderen europäischen Land registriert worden und deshalb in der Fingerabdruckdatei Eurodac vermerkt seien, an einer Einreise nach Deutschland gehindert werden sollten. Am Montag legte Dobrindt nach. Die Zurückweisung müsse Teil des von Seehofer geplanten Masterplans sein. Bislang werden an der Grenze nur Personen abgewiesen, die weder Asyl beantragen noch über die notwendigen Papiere für eine Einreise verfügen. Seehofer hat sich diese Forderung zu eigen gemacht.

Merkel stemmt sich aus zwei Gründen gegen die CSU-Forderung

Um das durchzusetzen, müssten von allen Flüchtlingen bereits an der Grenze Fingerabdrücke genommen und die Daten mit der Eurodac-Datei überprüft werden. Technisch ist das aufwendig, aber nicht ausgeschlossen. Die Kanzlerin aber stemmt sich bislang aus zwei Gründen gegen diese Forderung. Erstens sieht das EU-Recht nach ihrer Lesart vor, dass sich Mitgliedsstaaten, die auf diese Weise Flüchtlinge in andere EU-Staaten zurückschicken wollen, trotzdem an ein vorgeschriebenes Procedere halten müssen - zum Beispiel, weil die möglicherweise zur Aufnahme verpflichteten EU-Staaten die Überprüfung eines Euro-Dac-Treffers beantragen können.

Zum zweiten fürchtet das Kanzleramt einen Kaskaden-Effekt: Sollte Berlin mit der Abweisung beginnen, würde Österreich das Gleiche wohl am Brenner an der Grenze zu Italien machen. Die Flüchtlingsströme könnten sich so wieder in den Staaten mit EU-Außengrenzen wie Italien und Griechenland sammeln.

Seehofer hatte bereits am Wochenende in einer Rede ein "schwieriges Gespräch" angekündigt, das er in dieser Frage noch mit Merkel führen müsse. Die Kanzlerin selbst bestätigte dann am Sonntagabend in der ARD, dass sie sich mit dem Innenminister noch in der Abstimmung befinde. "Ich möchte, dass EU-Recht Vorrang hat vor nationalem Recht", sagte Merkel. Die Frage von Zurückweisungen an der Grenze war einer der wichtigsten Konfliktpunkte zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik. Nach der Bundestagswahl hatten sich beiden Parteien auf ein gemeinsames Papier verständigt, in dem auf Drängen Merkels keine Zurwückweisungen vorgesehen waren.

FDP-Chef Christian Lindner reagierte auf die Absage mit Kritik an der Kanzlerin: "Frau Merkel will offenbar immer noch keine wirkliche Wende in der Einwanderungspolitik hin zu Kontrolle und Regeln", schrieb er auf Twitter.

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