Migration:Helfer können nicht mehr helfen

Es kreuzen keine Seenotretter mehr vor Libyen, das ist die Folge der italienischen Politik geschlossener Häfen für Helfer-Schiffe.

Von Andrea Bachstein

Es kreuzen keine Seenotretter mehr vor Libyen, das ist die Folge der neuen italienischen Politik geschlossener Häfen für Helfer-Schiffe. Die dümpeln jetzt zumeist in Malta, amtlich festgesetzt wie die Sea Watch 3 und die Lifeline, freiwillig wartet dort die Seefuchs. Zu groß ist das Risiko, mit Geretteten übers Mittelmeer irren zu müssen, das hat die Aquarius der "Ärzte ohne Grenzen" nach Marseille getrieben. In Barcelonas Hafen liegt die Open Arms nun, die als bisher letztes privates Rettungsschiff Flüchtlinge an Land lassen durfte.

All das wirkt sich nicht positiv aus auf die Überlebenschance der Flüchtlinge, denn libysche Schleuser schicken sie weiter in billigsten Schlauchbooten aufs Meer. Von 19. Juni bis 3. Juli seien 483 Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute gestorben, teilte ein Sprecher der Flüchtlingsorganisation UNHCR mit. Das Mailänder Forschungsinstitut Ispi stellt fest, in den vergangenen Wochen sei die Wahrscheinlichkeit, bei der Überfahrt zu sterben, von zwei auf neun Prozent gestiegen.

Papst Franziskus sprach am Freitag im Petersdom Gebete bei einer Messe, die er toten und überlebenden Migranten widmete sowie den Flüchtlingshelfern. Organisierte Hilfe können Bootsflüchtlinge derzeit allenfalls von Libyens Küstenwache erwarten. Und der mangelt es an allem, teilweise sogar an Treibstoff - und, wie Beobachter vermuten, auch an Motivation. Italien hat nun versprochen, zwölf kleinere Boote seiner Küstenwache den libyschen Kollegen zu überlassen, samt Schulung im Wert von 1,5 Millionen Euro. Außerdem gab Roms Innenminister Matteo Salvini bekannt, er schichte für die Aufnahme von Flüchtlingen eingeplante 42 Millionen Euro um - in Rückführungsprogramme.

Unterdessen veröffentlichte die internationale Organisation für Migration jüngste Zahlen: Von Januar bis Anfang Juli seien 46 500 Menschen übers gesamte Mittelmeer nach Europa gelangt (17 000 nach Italien), 101 000 waren es zur selben Zeit vergangenes Jahr. Mindesten 1074 Migranten kamen dieses Jahr um auf der zentralen Mittelmeerroute, 1100 weniger als 2017 - aber damals kamen auch fünfmal so viele Menschen.

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