Migration:Heimat nach Plan

Migrants wait to get their rooms upon their arrival at a refugee shelter  in Berlin

Erstaufnahme in Berlin - viele Flüchtlinge zieht es in die Metropolen.

(Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Darf Deutschland Flüchtlingen vorschreiben, wo sie zu wohnen haben? Der Europäische Gerichtshof hat nun in zwei Fällen geurteilt: Im Prinzip ja - aber nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Von Roland Preuss

Bestimmten Flüchtlingen in Deutschland darf der Wohnort vorgeschrieben werden, wenn sie dadurch besser integriert werden können. Dies entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Andere Gründe wie eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Kosten von Sozialleistungen reichen dagegen nicht aus, die Zuwanderer in ihrer Wahl des Wohnortes einzuschränken (Rechtssachen C-443/14 und C-444/14).

Das Bundesinnenministerium strebt nun eine Wohnsitzauflage für einen deutlich weiteren Kreis von Flüchtlingen an, wie es aus Regierungskreisen hieß.

In dem Luxemburger Fall geht es um zwei Syrer, die 1998 und 2001 nach Deutschland gekommen waren. Sie wurden damals zwar nicht als Flüchtlinge anerkannt, erhielten aber einen sogenannten subsidiären Schutz, der sie zumindest vorerst vor einer Abschiebung schützt. Subsidiärer Schutz wird zum Beispiel gewährt, wenn jemand zwar nicht als verfolgt gilt, ihm in der Heimat jedoch andere Gefahren drohen, etwa durch einen Bürgerkrieg. Die beiden erhielten allerdings eine Auflage, wo sie ihren Wohnsitz zu nehmen haben. Diese Auflage fochten sie vor deutschen Gerichten an; das Bundesverwaltungsgericht legte den Fall schließlich dem EuGH vor.

Laut einer EU-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die Bewegungsfreiheit von Menschen, denen sie den subsidiären Schutzstatus zuerkannt haben, unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen gestatten wie anderen Nicht-EU-Bürgern. Allerdings lassen die EU-Richter Einschränkungen zu, "wenn sie in stärkerem Maß mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert sind als andere Personen, die keine EU-Bürger sind", wie das Gericht schreibt. Ob dies der Fall ist, muss nun das Bundesverwaltungsgericht prüfen. In der Politik werden Wohnsitzauflagen für Flüchtlinge bereits seit Längerem diskutiert. Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatten gefordert, anerkannten Flüchtlingen zumindest vorübergehend ihren Wohnsitz vorzuschreiben. De Maizière sah sich am Dienstag durch das Urteil bestätigt und den Weg geebnet für entsprechende Neuregelungen. "Danach sind Wohnsitzauflagen grundsätzlich mit dem Europarecht vereinbar", teilte er mit. "Ich halte eine Wohnortzuweisung für Flüchtlinge für dringend erforderlich, damit es vor allem in Ballungsräumen nicht zur Gettobildung kommt." Ähnlich äußerte sich am Dienstag auch Städtetags-Präsidentin Eva Lohse. Der unabhängige Sachverständigenrat für Migration und Integration (SVR) hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass eine Wohnsitzauflage nur dann integrationsfördernd sei, wenn Flüchtlinge an diesen Orten Integrationsangebote und Arbeitsplätze finden könnten. Zudem müsse ein Zusammenleben der Familie möglich sein. Die Regel dürfe nur für diejenigen gelten, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, sprich: Wer anderswo einen Job findet, der darf auch dort hinziehen. Ob sich die Pläne des Bundesinnenministeriums nun verwirklichen lassen, ist indes nicht sicher. Der EuGH hatte sich nur zu subsidiär Schutzberechtigten geäußert, vergangenes Jahr hatten nur gut 1700 Asylbewerber diese Art Schutz erhalten. Regierungskreisen zufolge gehen die Eckpunkte des Innenministeriums jedoch viel weiter und würden praktisch alle Flüchtlinge umfassen, die zumindest vorübergehend im Land bleiben dürfen und auf Sozialleistungen angewiesen sind.

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