Migration:CSU nervt SPD mit Anti-Flüchtlings-Attacken

Vorstandssitzung CSU

Ärgert die SPD: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (links).

(Foto: dpa)
  • In der SPD ist man über die vielen lauten Töne aus der CSU in Sachen Flüchtlingspolitik verärgert.
  • Die Sozialdemokraten sehen darin eine Gefahr für die gemeinsame Regierungsarbeit.
  • Vor allem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bekommt von der SPD und der Opposition deftige Kritik zu hören.

Von Stefan Braun, Berlin

Die von der CSU fast täglich vorangetriebene Debatte über weitere Verschärfungen in der Flüchtlings- und Asylpolitik löst beim Koalitionspartner SPD Unmut und in der CDU wachsendes Kopfschütteln aus. Unmittelbar vor einem Treffen der Fraktionsspitzen von Union und SPD an diesem Montag forderten führende Sozialdemokraten ein Ende der Fokussierung auf das Thema Flüchtlinge und einen Verzicht auf entsprechende Profilierungsversuche.

Ungeachtet dessen blieb CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bei seiner Linie und attackierte eine Anti-Abschiebe-Industrie in Deutschland. Deutliche Kritik an solchen Äußerungen kam von SPD-Parteivize Manuela Schwesig. Sie sagte der Süddeutschen Zeitung: "Ich finde es verantwortungslos, dass von Seiten der Union immer neue Debatten in der Flüchtlingspolitik angezettelt werden, die unsere Gesellschaft spalten. Es scheint so, als hätte sie nichts aus den Fehlern der Jahre 2015 und 2016 gelernt." Die Menschen erwarteten, dass die Regierung all ihre Arbeit mache und sich also auch um andere Probleme kümmere, beispielsweise in der Pflege.

In die gleiche Richtung zielt die Kritik des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Er rief die Unionsminister im Bundeskabinett auf, sich endlich am Riemen zu reißen. "Mit den Alleingängen, Pseudodebatten und Ego-Interventionen geht es so nicht weiter", klagte Lauterbach. Der Erfolg der Regierung hänge davon ab, ob man den Koalitionsvertrag konsequent umsetze. Deshalb sollten sich alle Minister jetzt "auf diese anspruchsvolle und anstrengende Aufgabe konzentrieren", so Lauterbach zu dem Blatt.

Dessen ungeachtet griff Landesgruppenchef Dobrindt am Wochenende Anwälte und Hilfsorganisationen an, die Flüchtlingen im Fall einer Ablehnung als Asylbewerber zur Seite stehen. "Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst die Bemühungen des Rechtsstaats sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird", sagte Dobrindt der Bild am Sonntag.

SPD sieht Gefahr für Regierung

In der SPD werden die Debatten und die dabei von Dobrindt benutzte Tonlage als Gefahr für den Erfolg und das Ansehen der Regierung betrachtet. Äußerungen wie die von Dobrindt würden permanent den Eindruck erwecken, als gebe es kein anderes Thema mehr, hieß es am Wochenende.

Ähnliche Sorgen treiben die CDU-Führung um, auch wenn sich am Wochenende dazu niemand öffentlich äußern wollte. Wie in der SPD befürchten führende CDU-Politiker, dass "diese Art des Dauer-Feuerwerks" alle anderen Themen dominieren und Erfolge anderswo aus dem Bewusstsein verdrängen könnte, hieß es in CDU-Kreisen.

Die Partei muss dabei auch gegen Kritiker in den eigenen Reihen kämpfen. So beklagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff am Sonntag erneut einen Kontrollverlust des Staates.

Eigentlich wollten die Führungen der Regierungsfraktionen beim Treffen am Montag bewusst andere Themen ins Zentrum rücken. Themen wie den Mangel an bezahlbaren Wohnungen, die Probleme bei der Pflege und die Zukunft der künstlichen Intelligenz.

Deftige Kritik aus der Opposition

Aus der Opposition erntete Dobrindt teilweise deftige Kritik. Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte: "Wenn Herr Dobrindt seine eigene Argumentation ernst nimmt", so Baerbock weiter, "dann müsste er auch sagen, dass jeder, der einen mutmaßlichen Straftäter vor Gericht verteidigt, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet." Das zeige, wie absurd sein Geschrei sei.

Die Grünen-Politikerin betonte, dass "Humanität und Ordnung" zusammen gehörten. "Wer das eine gegen das andere ausspielen will, verliert am Ende beides." Gerade deshalb würden auch für Personen, die ausreisen müssten, Menschenrechte gelten.

Baerbock verlangte, dass die Regierung - "statt sich rhetorisch aufzublähen und zu spalten" - dringend auf eine vernünftige Umsetzung konzentrieren solle: Schnelle und faire Verfahren, Gewährung einer unabhängigen Rechtsberatung, Rückführungsabkommen, die funktionieren. Und Bleiberechtsregelungen für die, die aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden dürfen.

Deutliche Kritik kam auch von der FDP. Ihr Migrationsexperte, der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp, beklagte, er habe bei Dobrindt leider den Eindruck, dass es ihm eher "um inszenierte Stimmungsmache als tatsächliche Lösungen" gehe. Statt solcher Aktionen wie jener von Dobrindt brauche es dringend Gespräche zwischen Bund und Ländern, bei denen geklärt werden müsse, "wie Verfahren verkürzt und Rückführungen beschleunigt werden, aber auch gut Integrierte ein sicheres Bleiberecht bekommen".

Stamp kam Bundesinnenminister Horst Seehofer an einer Stelle gleichwohl entgegen. Er sagte, zur Verbesserung der Verfahren könnten auch die von Seehofer initiierten Ankerzentren beitragen. Das freilich gelte nur, "wenn sie nicht bloß ein Wahlkampfgag der CSU sind."

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