Migranten:Bei Anruf Abreise

Arbeitsvermittlung, Beratungszentren und eine Hotline - CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller will das Rückkehrerprogramm für Migranten kräftig ausbauen. Doch die Bilanz dieser Programme ist bisher mäßig.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Minister Müller besucht Flüchtlinge

Suche nach dem richtigen Umgang: Entwicklungsminister Gerd Müller mit syrischen Kindern in einem Flüchtlingslager im türkischen Kilis.

(Foto: Ute Grabowsky/dpa)

Es ist ein hübscher Name, den CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller ersonnen hat. "Perspektive Heimat" nennt er eine Idee, zu der weniger sprachbegabte Parteikollegen vielleicht einfach "Ausreisemaßnahme für Ausländer" sagen würden: Seit einem Jahr fördert Müller gemeinsam mit dem Innenministerium sogenannte Rückkehrerprogramme für Migranten. Beratungszentren in Deutschland und in bislang sieben Ländern in Nord- und Westafrika sowie auf dem Balkan sollen Menschen dabei unterstützen, wieder in ihre Heimatländer zu ziehen. Gemeint sind abgewiesene Asylbewerber, aber auch alle anderen Zuwanderer, die Lust verspüren, Deutschland wieder zu verlassen.

In Nigeria, Ägypten, Pakistan und im Irak bauen deutsche Entwicklungshelfer derzeit noch neue Rückkehrzentren auf oder prüfen eine Eröffnung. Bis zum Jahr 2020 hatte Müller insgesamt 150 Millionen Euro für das Projekt veranschlagt. Nun aber fordert er eine erhebliche Erhöhung dieser Mittel, auf 500 Millionen Euro pro Jahr. Das wäre zwar das Zehnfache der bisherigen Förderung, sei aber trotzdem eine gute Investition, sagt Müller: "Das ist viel preiswerter, als die Menschen hier in Deutschland zu versorgen." Irakische Flüchtlinge, zum Beispiel, könnten mittlerweile problemlos in befreite Städte wie Mossul zurückkehren, erklärt der Minister: "Wir sollten Familienzusammenführung nicht nur in Richtung Deutschland denken."

Zu dem Projekt "Perspektive Heimat" gehört auch eine "Rückkehrhotline", die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eigens eingerichtet hat. Eine Webseite bietet außerdem in vier Sprachen Wegweiser zur nächsten Ausländerbehörde. In den Herkunftsländern hat das Entwicklungsministerium im vergangenen Jahr außerdem eine Reihe von Projekten bezuschusst, die Arbeitsstellen und Ausbildungsplätze schaffen sollen - und damit die Menschen überzeugen, gar nicht erst in Richtung Europa aufzubrechen.

Die Bilanz dieser Programme ist allerdings eher mäßig. Von rund 25 800 Arbeitssuchenden, die bis Ende November in den vier Zentren in Tunesien, Albanien, Serbien und Kosovo beraten wurden, hatten nur 417 Menschen am Ende einen Job. Rund 13 600 Personen vermittelten die Berater eine Weiterbildungsmaßnahme.

In Tunesien und Marokko kamen bis Dezember gerade einmal 27 Rückkehrer aus Deutschland in das Beratungszentrum. In seiner Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Januar verteidigte das Entwicklungsministerium das Projekt: "Der Erfolg der Migrationsberatungszentren in Tunesien und Marokko kann nicht nur an den erreichten Rückkehrern gemessen werden", heißt es dort. Neben der Arbeitsberatung habe man es schließlich geschafft, Nordafrikaner "über Gefahren der irregulären Migration aufzuklären". Und bei der Rückkehrhotline meldeten sich laut Bundesregierung im Schnitt vier Migranten am Tag.

Bei seinem jüngsten Vorstoß nennt Minister Müller allerdings eine andere Zahl, die den Erfolg von Rückkehrerprogrammen belegen soll: das sogenannte Cash for Work-Projekt seines Ministeriums. Diese Initiative habe in den vergangenen beiden Jahren mehr als 140 000 Menschen Arbeit vermittelt, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. Unerwähnt bleibt jedoch, dass sich "Cash for Work" gar nicht an Heimkehrer richtet. Es hilft etwa Syrern, die in Nachbarländer wie die Türkei oder Jordanien geflohen sind, dort einen kleinen Job in der Müllabfuhr oder als Lehrer im Flüchtlingslager zu bekommen. Mit einer dauerhaften Perspektive in der Heimat hat dieses Projekt nichts zu tun.

Die Opposition kritisiert Müller scharf für das Rückkehrerprogramm. "Entwicklungszusammenarbeit ist keine Flüchtlingsabwehr", sagt der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz. "Müller macht sich zum Erfüllungsgehilfen von Horst Seehofers populistischer Flüchtlingspolitik". Statt Geld für die Ausreise von Migranten zu geben, sollte er "strukturpolitische Maßnahmen wie etwa eine faire Handels- und Agrarpolitik" finanzieren. Eva-Maria Schreiber von der Linksfraktion bemängelt, dass die Bundesregierung die Zulassung solcher Zentren für immer mehr Entwicklungsländer zu einer Bedingung mache, um überhaupt zusammenzuarbeiten. Auch die entwicklungspolitische Sprecherin vom Koalitionspartner SPD, Gabi Weber, sagt, Entwicklungshilfe dürfe nicht "zum verlängerten Arm des Innenministeriums" werden. Aus dem Entwicklungsministerium heißt es dazu, man spreche mit allen Programmen auch die einheimische Bevölkerung an und fördere so nachhaltige Entwicklung.

Einen Plan scheint Müller allerdings gerade fallengelassen zu haben. Im Januar hatte er noch erwogen, eine "Online-Beratung" in Afghanistan anzubieten. Der Aufbau einer "physischen Beratung", mit echten Menschen vor Ort, hatte sich damals "aufgrund der angespannten Sicherheitslage" verzögert. Heute, drei Monate später, ist auch davon keine Rede mehr.

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