Michail Gorbatschow:Wiedervereinigung war unvermeidlich

Michail Gorbatschow ist sich sicher: Auch bei rechtzeitigen Reformen in der DDR hätte es die deutsche Einheit gegeben - wenn auch in anderer Form.

20 Jahre nach dem Fall der Mauer ist der frühere sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow überzeugt, dass auch bei rechtzeitigen Reformen in der DDR die deutsche Einheit unvermeidlich gewesen wäre. "Die Wiedervereinigung hätte es irgendwann trotzdem gegeben, wenn auch in anderer Form", sagte Gorbatschow der Bild am Sonntag.

"Möglicherweise wäre es zunächst nur zu einer Währungsunion und danach zu einem deutsch-deutschen Staatenbund gekommen." Er wies Behauptungen zurück, er habe damals eine Verschwörung zum Sturz Erich Honeckers angezettelt.

Der Reformer Gorbatschow hatte anlässlich der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR-Staatsgründung am 7. Oktober 1989 die Altherrenriege um Staats- und Parteichef Honecker vergeblich zu Reformen ermahnt. "Als ich seinerzeit im Kreis der Staats- und Regierungschefs des Warschauer Pakts über die Perestroika gesprochen habe, sagte Honecker: Wir haben unsere Perestroika bereits hinter uns", erinnert sich der frühere KPdSU-Generalsekretär. Damit habe Honecker aber lediglich den Führungswechsel von Walter Ulbricht zu ihm selbst gemeint.

Wirtschaftlich gesehen sei die DDR damals im Vergleich zu den anderen Mitgliedern des Warschauer Pakts kein rückständiges Land gewesen, betonte Gorbatschow. "Und wenn die DDR damals einen Reformkurs eingeschlagen hätte, wären die Ergebnisse noch besser gewesen. Aber Honecker hat diesen Augenblick verpasst."

Trotz der politischen Differenzen hat Gorbatschow aber eine hohe Meinung von Honecker als Person. "Honecker war ein ernsthafter Politiker, er hatte Charakter und Ambitionen", sagte er. Er habe sicher Fehler gemacht, "aber er wollte seinem Land dienen".

In der Wochenzeitung Das Parlament erklärte Gorbatschow, es habe auch nie, wie in letzter Zeit vielfach behauptet, eine Verschwörung zum Sturz Honeckers gegeben. "Wir haben etwas anderes getan": Man habe die DDR-Führung über Verlauf, Ziele und Schwierigkeiten der Perestroika informiert. "Und damit haben wir zum Ausdruck bringen wollen: 'Wenn euch diese Erfahrungen interessant und nützlich erscheinen, dann nutzt sie.'"

Einem Spiegel-Bericht zufolge hätte Gorbatschow 1990 die Möglichkeit gehabt, die Auslandsspionage der Stasi sowie das gesamte IM-Netz vom KGB übernehmen zu lassen. Das Magazin beruft sich auf Akten des Bundesnachrichtendienstes zum Mauerfall, die dieser auf Antrag des Spiegels freigegeben habe.

Demnach habe der damalige DDR-Regierungschef Hans Modrow Gorbatschow ein entsprechendes Angebot gemacht. Modrow bestreite die Darstellung des BND: "Nichts von dem ist wahr", zitiert ihn das Magazin.

Aus den BND-Unterlagen gehe zudem hervor, dass Gorbatschow offenbar schon 1988 gegenüber Honecker erklärt habe, "unter seiner Führung werde die Sowjetunion nicht intervenieren, um eine Partei beziehungsweise Obrigkeit vor unzufriedenen Massen zu schützen".

Demnach hat der Kreml-Chef bereits vor dem Mauerfall die sowjetische Bestandsgarantie für die DDR widerrufen. Im Parlament-Interview betont Gorbatschow tatsächlich, dass die sowjetische Führung bereits 1985 allen Staatsoberhäuptern der Warschauer-Pakt-Staaten "unverhohlen erklärt" habe: "Von heute an seid ihr für die Lage in euren Ländern selbst verantwortlich. Wir werden uns nicht in eure inneren Angelegenheiten einmischen."

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