Michael Glos: Rückzug aus Kabinett:Fein geschrotet und in Stücken

Wer auch immer der Nachfolger von Michael Glos wird: Das Amt ist nicht leicht zu bewältigen. Früher war Glos eine fränkische Kraftnatur, in der CSU eine respektierte Autorität. Doch das Wirtschaftsministerium hat den leutseligen CSU-Minister, Politiker und Müllermeister zermahlen.

Heribert Prantl

Stolz ist das Vergnügen an der eigenen Identität: Mit diesem Selbstgefühl hat Michael Glos viele Jahre ordentliche Politik gemacht. Er war ein Lästermaul und Strippenzieher, er war ein ehrlicher, frecher, bisweilen gerissener Makler widerstreitender Interessen.

Michael Glos: Rückzug aus Kabinett: Michael Glos - von der fränkische Kraftnatur zum tragischen Typen.

Michael Glos - von der fränkische Kraftnatur zum tragischen Typen.

(Foto: Foto: dpa)

Er war einer, der sich schnell Respekt verschafft hat, als er 1976 als damals jüngster CSU-Abgeordneter in den Bonner Bundestag kam; als Mitglied ausgerechnet des Haushaltsausschusses machte er sich einen Namen. Glos hat keinen Doktortitel, kein Studium, kein Abitur; aber das alles hat ihm nicht gefehlt, solange er mit sich im Reinen war - bis zum 22. November 2005. An diesem Tag wurde er als Bundeswirtschaftsminister vereidigt.

Bis zu diesem Tag war er eine fränkische Kraftnatur, war er der bauernschlaue und leutselige Müllermeister von der Stolzmühle in Brünnau. Bis zu diesem Datum war er eine respektierte Autorität in der CSU, ein gefürchteter Spötter beim politischen Gegner, ein geschätzter Gesprächspartner von Journalisten; er war einer von denen, die fast alles wussten, was den Politikbetrieb ausmacht; er war feiner Analytiker politischer Abläufe.

Diese Gabe traut ihm keiner zu, der Glos nur als Polterer im Bundestag kennt. In dieser Rolle grauste es dem CSU-Landesgruppenchef Glos auch vor den dümmsten Sprüchen nicht. Da hielt er gern die Holzhacker-Rede zum allgemeinen Aufwärmen an langen Sitzungstagen.

Und Glos langte dabei zu wie im Bierzelt, nannte die Grünen "Öko-Stalinisten" und den damaligen Außenminister Joschka Fischer in der Visa-Affäre von 2004 einen "Zuhälter" - wofür er sich sogleich entschuldigt und wofür ihn Kanzler Schröder als "eine richtige Sau" bezeichnet hat. Zu Hause in Bayern, bei der CSU, hat man Glos gemocht deswegen - "geradeheraus" sei er halt, hieß es. Das ist schon eine Zeit her.

Glos ist eigentlich ein Politiker von der Art, nach der Politologen rufen, wenn sie Essays schreiben mit dem Titel "Politik braucht wieder Typen". Aber seit dem 22. November 2005 ist Michael Glos ein tragischer Typ. Vom Tag der Vereidigung als Wirtschaftsminister an ging es mit ihm bergab. Er hat dieses Amt nicht gewollt, er hat es sich aufdrängen lassen von seiner CSU; er selbst wäre so gern Verteidigungsminister geworden, aber den Posten hatte die CSU schon an die CDU vergeben; das Wirtschaftsministerium war ja eigens für Edmund Stoiber reserviert worden.

Aber Stoiber, der sich schon als neuen Ludwig Erhard hatte feiern lassen, flüchtete dann bekanntlich zurück nach München. Und Müllermeister Glos nahm das Amt als Wirtschaftsminister auf sich wie einen schweren Sack Getreide. Er spottete über sich selbst, dass er nun in ein Ministerium gehe, von dem er bisher nicht einmal gewusst habe, wo es logiert. Wirtschaftsministerien aber sind feine Häuser mit feinen Spitzenbeamten.

Die einfache Melodie des "Frankenliedes" kommt dort nicht so gut an: "Der Wald steht grün, die Jagd geht gut, schwer ist das Korn geraten." Das ist eine Sprache, wie sie in anderen Färbungen Franz Müntefering und Kurt Beck sprechen - Leute ohne Studium, aber mit politischer Leidenschaft. Fast alles, was Glos kann und ihn als Landesgruppenchef ausgezeichnet hat, war im neuen Haus nicht gefragt.

Man hätte ihn dort beraten und begleiten müssen, hat ihn aber auflaufen lassen. Sein praktischer Verstand für unternehmerisches Tun wurde nicht beflügelt, sondern verspottet. Das Ministerium war dem Minister aus dem Mittelstand nicht zu Diensten; er war dort allein zu Haus. So wurde Glos, der den Notnagel für Stoiber gemacht hatte, dessen letztes Opfer.

Stolzmühle heißt der Mühlenbetrieb, den Glos zu Hause in Unterfranken vom früh verstorbenen Vater geerbt hat. Das Wirtschaftsministerium wurde nun für ihn die Mühle, in der sein politischer Stolz geschrotet wurde - das erinnert an das Geschehen im letzten Streich von Max und Moritz. Die Kanzlerin hat den CSU-Wirtschaftsminister Glos düpiert, sie hat bei Beratungen und öffentlichen Auftritten den SPD-Finanzminister Steinbrück vorgezogen.

Glos fühlte sich immer unwohler und man sah es ihm an. Er versuchte, die Spötteleien über ihn abzuschütteln; aber als die Finanzkrise kam, war es auch mit diesen Versuchen vorbei. Die Großkrise wuchs Glos noch mehr über den Kopf als den anderen Politikern, die äußerlich die Selbstsicherheit zeigten, die ihm längst verlorengegangen war.

Und als zuletzt im Donaukurier, der Heimatzeitung von CSU-Parteichef Seehofer, zu lesen stand, dass der den heimischen Unternehmer Bauer schon als neuen Wirtschaftsminister in Stellung bringe, war das Maß für Glos voll. Er wollte Demütigungen nicht mehr in Demut hinnehmen. Es war eine Frage des Stolzes.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: