Mexiko:"Tropischer Messias"

Morena Presidential Candidate Andres Manuel Lopez Obrador Holds Campaign Rally Ahead Of Election Day

Andrés Manuel López Obrador will Präsident Mexikos werden.

(Foto: Bloomberg)

Bei der Wahl stehen die Zeichen auf Neuanfang. Der Kandidat mit den besten Chancen heißt Andrés Manuel López Obrador.

Von Benedikt Peters

Wenn man in diesen Tagen mit Mexikanern über Politik spricht, dann fällt häufig das Wort cansado. Es bedeutet müde oder auch überdrüssig. Sie habe es satt, das sagt zum Beispiel Illalil Amezcua, eine 28-jährige Architektin aus Morelia, einer 600 000-Einwohner-Stadt im Bundesstaat Michoacán.

Überdruss ist einer der Hauptgründe, warum bei der Wahl am Sonntag ein 64-jähriger Man mit weißem Hemd und Blumenkette die besten Chancen hat, in die Präsidialresidenz Los Pinos einzuziehen. Wobei Andrés Manuel López Obrador genau genommen gar nicht dort einziehen will, so hat es versprochen. Er werde einfach in seinem Haus wohnen bleiben oder sich etwas anderes, billiges suchen. Los Pinos werde in ein Museum umgewandelt. Es sind auch solche Ankündigungen wider das Establishment, mit denen López Obrador es geschafft hat, in den Umfragen in Führung zu gehen. Wobei "in Führung gehen" untertrieben ist. Mit einem Vorsprung von etwa 25 Prozentpunkten liegt Amlo, wie er seiner Initialen wegen genannt wird, haushoch vorn.

López Obrador profitiert von einem eklatanten Versagen des aktuellen Amtsinhabers, Enrique Peña Nieto. 2012 war der mit zwei großen Versprechen angetreten: Er wollte für ein sattes Wirtschaftswachstum sorgen und den Drogenkrieg eindämmen. Mexiko versinkt seit Jahren in diesem Krieg, in dem Kartelle zumeist kolumbianisches Kokain durch das Land in die USA schleusen. Wer sich nicht von ihnen bestechen lässt, der wird erschossen, verbrannt, enthauptet.

Unter ihm solle die Mordrate halbiert werden, hatte Peña Nieto versprochen. Tatsächlich aber werden heute in Mexiko so viele Menschen umgebracht wie nie, seit Statistiken erhoben werden. Der Regierung zufolge waren es 25 339 Tote allein im vergangenen Jahr. 2018 steuert das Land auf einen neuen Mordrekord zu. Die Wirtschaft wächst statt der anvisierten sechs um nur 2,5 Prozent jährlich. Und lange nicht alle Mexikaner profitieren davon. Dem industrialisierten Norden geht es vergleichsweise gut, im Süden bestellen die Menschen häufig noch die Felder von Hand.

López Obrador stammt selbst aus dem Süden, aus der Provinz Tabasco, dem Namensgeber der bekannten Chilisorte. Dort machte er Karriere, erst als Lokalpolitiker, dann als Bürgermeister von Mexiko Stadt. Er verspricht, die Infrastruktur und die Wirtschaft im Süden auszubauen. Zudem hält er teure Wahlgeschenke bereit, er will etwa das Rentensystem reformieren und Stipendien schaffen für Studenten aus armen Familien.

Auch im Norden findet er viele Anhänger, was mit einem Thema zu tun haben dürfte, das neben dem Drogenkrieg den Wahlkampf dominiert: López Obrador hat versprochen, endlich mit der Korruption aufzuräumen. Korruption ist kein neues Phänomen in Mexiko, unter Peña Nieto aber hat sie zugenommen. Politiker seiner Regierungspartei PRI haben Staatskassen geplündert, auch Peña Nietos Ehefrau geriet in den Strudel einer Korruptionsaffäre. Im Ranking der Organisation Transparency International ist Mexiko in den letzten Jahren um 30 Plätze gefallen und liegt jetzt auf Rang 135, gemeinsam mit Russland.

Um glaubhaft zu machen, dass er für einen Neuanfang steht, hat López Obrador seine eigene Bewegung gegründet. Das hat funktioniert, in Mexiko nennen ihn manche inzwischen den "tropischen Messias". Umso spannender ist, welche Wahlversprechen er auch einlösen wird. Manche teure Reform wird sich noch irgendwie finanzieren lassen. Der Krieg gegen die Drogenkartelle aber, den noch Peña Nietos Vorgänger Felipe Calderón ausgerufen hatte, lässt sich kaum gewinnen. López Obrador glaubt, dass eine Amnestie für kleine und mittlere Drogendealer helfen könnte, Experten sind skeptischer.

Ähnlich schwierig dürfte der Kampf gegen die Korruption werden. Zumindest vorsichtige Zweifel sind erlaubt, dass López Obrador ihn ernsthaft kämpfen wird. Auf der Kandidatenliste seiner Bewegung für den Senat steht zum Beispiel Napoleón Gómez Urrutia. Als Anführer der Bergbaugewerkschaft soll er Millionenbeträge veruntreut haben. Schaden aber dürfte ihm das zunächst kaum, da neben der PRI auch die einzige etablierte Oppositionspartei PAN Skandale am Hals hat.

Alles deutet darauf hin, dass die Mexikaner einen radikalen Neubeginn wollen. "Und dafür", sagt die Architektin Illalil Amezcua, "ist López Obrador gerade die einzige Möglichkeit." Sie will ihm ihre Stimme geben - und sie hofft, dass er seine vielen Versprechen dann auch halten wird.

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