#MeToo:Zu nackt, zu grün

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Im Zuge der "Me Too"-Debatte etablieren sich neue Kleiderordnungen, die wiederum Frauen unfrei machen. Die Entrüstung über das grüne Kleid von Herzogin Catherine zeigt: Es macht sich ein neuer Dogmatismus breit.

Von Laura Hertreiter

In Sachen Mode war man vor einiger Zeit an einem Punkt angelangt, an dem eigentlich alle entspannt und zufrieden sein konnten. Es war alles erlaubt. Auf roten Teppichen und in Hochglanzmagazinen hatte man alles schon mal gesehen: Jogginghosen, Frauensmokings, Männerröcke, hübsche, hässliche, kaputte und fehlende Kleider oder welche aus Steaks und Schwanenfedern. Gerade an Prominenten gab es kein Kleidungsstück mehr, das noch schockiert hätte. Abgrenzungen und Statements waren in Nuancen möglich oder aber durch ganz große Schockmomente. Seitdem Mode nun aber, auch im Zuge der "Me Too"-Debatte, politisch aufgeladen wird, hält ein neuer Dogmatismus Einzug, der allen schadet, weil er unfrei macht.

Eines der jüngsten Beispiele ist das dunkelgrüne Abendkleid, das die britische Herzogin Catherine kürzlich bei einer Filmpreisverleihung in London trug. Sofort brach in sozialen Netzwerken Schnappatmung aus: Hatte die Frau nicht mitbekommen, dass Schwarz der Dresscode für alle ist, die gegen Sexismus und sexuelle Gewalt sind? Grün geht gerade gar nicht, so viel steht seitdem fest. Aber das schwarze Kleid, das Jennifer Lawrence wenig später auf einem Pressefoto für ihren neuen Film trug, war auch nicht genehm. Zu wenig Stoff, kritisierten Journalisten und Netzkommentatoren. Das Kleid sei Symbol für die Diskriminierung von Frauen. Das Foto war auf einer Londoner Terrasse bei Londoner Wintertemperaturen entstanden, die männlichen Schauspieler darauf tragen Mäntel und Schals.

In beiden Fällen waren Verteidiger sofort zur Stelle: Das königliche Protokoll sehe nicht vor, dass Herzogin Kate politisch Stellung beziehe. Und ausgerechnet Jennifer Lawrence solle man bitte die Kleiderwahl selbst überlassen, nachdem sie nicht nur im Fall des Filmproduzenten Harvey Weinstein Stellung bezogen habe, sondern auch sonst den Mund aufmache gegen Diskriminierung.

Wieder müssen sich Frauen einem gesellschaftlichen Bild beugen, das sie unfrei macht

Das also ist der Stand im Februar 2018: Auf der Welt zeigt sich ein entsetzliches Ausmaß systematischer sexueller Übergriffe, in der Filmbranche, im Sport, im Niedriglohnsektor. Der Widerstand gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen wächst und er wird sichtbar, jeder rote Teppich wird zum Anlass für das Reden über Missstände. Aber dass dort die Einhaltung einer neuen Kleiderordnung nun selbst zum Gegenstand der Debatte wird, führt in die falsche Richtung. Zum einen, weil so - statt gesellschaftlicher Machtstrukturen - wieder bloß Geschmacksfragen thematisiert werden. Die Kleiderstreitigkeiten verniedlichen die Debatte unter dem Schlagwort #Me Too. Zum anderen beschränkt der Uniformzwang die Freiheit der Einzelnen vor ihrem Schrank. Wieder müssen sich Frauen einem gesellschaftlichen Bild beugen, das sie erfüllen sollen.

Eigentlich müsste man meinen, unsere Gesellschaft wäre längst weiter. Das zeigt sich an einem Vorfall der vergangenen Tagen: Während Janet Jacksons "Nipplegate" bei ihrem Super-Bowl-Auftritt vor 14 Jahren wochenlang Schlagzeilen machte, blieb ein ähnliches Malheur, das Eiskunstläuferin Gabriella Papadakis vor ein paar Tagen beim olympischen Kurztanz passierte, eine Randnotiz. Mit derselben Gelassenheit sollte es jeder Frau überlassen bleiben, wie weit sie ihren Protest nach außen trägt - ob schwarz, langärmlig oder auch überhaupt nicht.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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