Messerattacke auf OB-Kandidatin in Köln:Stadt unter Schock

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Köln-Braunsfeld: Die Polizei hat den Tatort abgeriegelt. (Foto: dpa)

Ein paar Minuten dauert es, bis Helfer der niedergestochenen OB-Kandidatin Henriette Reker den Angreifer zu Boden gerungen haben. Danach ist alles anders in Köln.

Von Bernd Dörries, Köln

Der Mann kam und sagte, er sei hier, um den Messias zu retten und die Bürger der Stadt Köln vor dunklen Mächten. "Ich befreie euch von solchen Leuten." Dann sticht er zu, mit einem etwa 20 Zentimeter langen Säbel. Er trifft Henriette Reker am Hals, sie sackt zusammen. Ihre Helfer stürzen sich auf den Angreifer, der weiter um sich sticht. Ein paar Minuten dauert dieser Kampf und danach ist alles anders in Köln, die Stadt nicht mehr dieselbe.

"Es ist unfassbar, dass eine Kommunalpolitikerin Opfer einer so abscheulichen Tat wird", sagt Kölns CDU-Chef Bernd Petelkau, der die Tat miterlebte. Er war am Morgen mit Reker auf den Wochenmarkt im Stadtteil Braunsfeld gekommen, um die OB-Kandidatin auf den letzten Metern des Wahlkampfes zu begleiten. Reker lag weit vorne in den Umfragen, die Chancen standen gut, dass sie am Sonntag zur Oberbürgermeisterin in Deutschlands viertgrößter Stadt gewählt wird.

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Ermittlungen nach Messerattacke auf die schwer verletzte Kölner OB-Kandidatin Reker: NRW-Innenminister Jäger spricht von "ersten Anzeichen für eine politisch motivierte Tat".

Niemand weiß, wie es weitergeht

Jetzt liegt die Kandidatin mit schweren Verletzungen im Krankenhaus, ist nach einer Notoperation stabil, aber noch nicht über den Berg. Ihre Luftröhre sei verletzt, teilt die Polizei mit. Wie es weitergeht, wird CDU-Chef Petelkau gefragt? "Das weiß ich nicht, unsere Gedanken gelten jetzt den Verletzten, alles andere ist nebensächlich." Hinter Petelkau liegen Einkaufstüten herum und eine ungekippte Fahne der Grünen, die Reker genauso unterstützten wie CDU, FDP und das Bündnis "Deine Freunde".

Hinter Petelkau hängt ein Plakat von SPD-Kandidat Jochen Ott mit dem Slogan: "Mein Herz schlägt für Köln". Darunter stehen nun die Menschen und fragen sich, wie es wohl Reker geht. Wie sie das verkraftet, ob sie ihren Traum noch erreichen kann, Oberbürgermeisterin von Köln zu werden. Man wisse nicht, wie es weitergeht, sagen ihre Unterstützer am Samstagmittag.

Nur der gewohnt forsche FDP-Chef Ralph Streck ist da schon weiter: "So lange alle Kandidaten am Leben sind, findet die Wahl statt." Da mag ein wenig Trotz dabei sein, das Gefühl, Stärke zeigen zu müssen angesichts einer solchen Tat. Vielleicht aber auch das Kalkül, dass eine verletzte Kandidatin mehr Stimmen bekommt. Zumindest ist es eine sehr seltsame Wortwahl, so kurz nach der Tat. Gegen Mittag beschließt die Stadt, dass am Sonntag gewählt wird - mit einer Favoritin, über deren Gesundheitszustand noch wenig bekannt ist.

"Angriff auf uns alle"

Der Täter sei 44-Jahre alt und werde derzeit befragt, teilt die Polizei am Nachmittag mit, mehr könne man derzeit noch nicht sagen. "Das ist ein Angriff auf uns alle", sagt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Der Mann soll bei seiner Festnahme die Worte "Reker, Merkel, Flüchtlingsschwemme" gerufen haben. Reker war als Sozialdezernentin in Köln auch für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig. Die nächsten Tage werden zeigen, wie die Stadt und auch das ganze Land mit dieser Botschaft umgehen. Ob man sie für die eines Verrückten halten wird. Oder ob sie ihr Ziel doch erreicht, ob sich Angst in den Köpfen breit macht.

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