Merkels Sieg bei der Bundestagswahl:Die Triumphantin

Mit dieser Wahl wird aus der Regierungszeit Merkel eine Ära - die Ära des Merkelismus, einer Machtpolitik, der man das Machtvolle nicht anmerkt. Die Bürger haben der Kanzlerin nicht nur einen Sieg, sondern einen Triumph beschert. Die Schattenseite des Erfolgs: Derzeit besteht die CDU aus fast nichts außer ihr.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Triumphator ist ein Wort, das es eigentlich nur in der männlichen Form gibt; Angela Merkel macht das Wort weiblich. Sie erringt einen Wahlsieg, der nicht nur Sieg ist, sondern Triumph. Es ist ihr Triumph, weniger der Triumph der Union. Sie als Person, sie als Kanzlerin hat ihn errungen, mit Beliebtheitswerten, die in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig sind.

Mit diesem Wahlsieg steht sie nun fast neben Konrad Adenauer, der 1957, zum ersten und bisher einzigen Mal in der Geschichte der Republik, für die Union die absolute Mehrheit errungen hat. 1957: Es war der Höhepunkt der Macht Adenauers. 2013: Es ist der Höhepunkt der Macht Merkels. Mit dieser Wahl wird aus der Regierungszeit Merkel, ganz gleich wie sie nun weitergeht, eine Ära - die des Merkelismus, einer Machtpolitik, der man das Machtvolle nicht anmerkt.

Als Kanzlerin des Ungefähren ist sie kritisiert worden. Es heißt, mit ihr sei das Konservative aus der Union verschwunden und das Nebulöse habe Einzug gehalten. Für ihre vielen Wähler ist Merkel nicht die Konturen- und Überzeugungslose.

Sie sehen in Merkel die Vertreterin eines aufgeklärten Liberal-Konservativismus, die nicht erschrickt, wenn es gilt, die Homo-Ehe anzuerkennen. Merkel hat in der Euro-Krise, und das war ihre bisher größte Rolle, die schwäbische Hausfrau, die das Geld zusammenhält, meisterlich gespielt. Das gefällt vielen Deutschen.

Und sie macht Macht zu einer unspektakulären Angelegenheit. Das gefällt vielen Deutschen auch. So hat sie es geschafft, dass die bescheidene Bilanz ihrer Regierungskoalition ihrer Beliebtheit nicht geschadet hat: Was gut läuft, hat die Kanzlerin gemacht, was schlecht läuft, die schwarz-gelbe Koalition.

"Keine Experimente"

Konrad Adenauer hat 1957 die grandiose Mehrheit von 50,2 Prozent mit einem schlichten, fast harmlosen Satz gewonnen: "Keine Experimente". Die Deutschen wollten sie auch nicht. Adenauer hatte doch soeben in Moskau die Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen erreicht und mit dem Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik einen schönen Erfolg vorzuweisen. Merkel hat nun keine so spektakulären Erfolge vorzuweisen wie damals Adenauer.

Aber den Deutschen geht es gut, und sie haben das Gefühl, dass Merkel sie ordentlich durch die Euro-Krise geführt hat. Da kann es zwar noch ein bitteres Erwachen geben, aber das ist eben noch nicht passiert. Merkel wird von dem wohligen Gefühl der Wähler zum Wahltriumph getragen, dass es in fast ganz Europa drunter und drüber gehe, nur nicht in Deutschland. Deswegen konnte sie in ihrem Schlusswort des TV-Duells mit Peer Steinbrück zur Neuauflage des alten Slogans greifen: "Sie kennen mich. Sie wissen, was ich anpacken möchte. Wir hatten vier gute Jahre."

Was nach Merkel kommt, steht in den Sternen

Keine Experimente. Deswegen haben die Wähler die FDP, der sie vor vier Jahren die Tür einrannten, diesmal gemieden. Sie haben diese Partei als unberechenbar und inkompetent erlebt. Die FDP hat vergessen, verlernt und verloren, wofür sie einmal da war. Ihre wirtschaftspolitische Kompetenz hat sich in formelhaftem Geschwätz aufgelöst; sie hat ihr einstiges Renommee auf dem Gebiet der Außenpolitik verloren; und sie hat getan, als sei die Bürgerrechtspolitik nur noch ein Reservat für Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Es funktioniert nichts mehr in der FDP. Die Union kann sich, wenn sie die braucht, andere Koalitionäre suchen.

Aber: Koalitionen sind nur so stabil wie die Parteien, die sie bilden. Alle Parteien außer der Union gehen, aus den unterschiedlichsten Gründen, instabil in diese neue Legislaturperiode. Die SPD muss sehen, wie und mit wem es weitergeht nach Steinbrück, der ein wackerer Spitzenkandidat des Übergangs war: mit Sigmar Gabriel - oder mit Olaf Scholz und Hannelore Kraft?

Die SPD hat sich von den Agenda-Turbulenzen der Schröder-Ära noch immer nicht erholt, sie befindet sich in einem Transformationsprozess hin zu Rot-Rot-Grün. Die Grünen haben am Wahlsonntag erfahren müssen, dass es für sie keine Blühgarantie gibt; auch ihnen zugeneigte Wähler sind nicht geneigt, alles mitzumachen. Die Grünen müssen ihre Kern- und ihre Kürthemen neu sortieren. Im Übrigen hat die Partei einen Generations- und Führungswechsel vor sich.

Bei Adenauer 1957 folgten dem Triumph Krisen, in denen der alte Herr nicht gut aussah. Die Wahl von 1961 hätte Adenauer dann fast verloren, er war nur noch Kanzler auf Zeit. Merkel wird das, weil sie klug ist, nicht passieren. Sie wird eine vierte Amtszeit nicht anstreben. Was nach ihr kommt, steht in den Sternen.

Die früher so starke Garde der CDU-Ministerpräsidenten existiert nicht mehr; derzeit besteht die CDU als Merkel plus fast Nichts; Das ist die Schattenseite ihres Triumphs. Das wird irgendwann die Chance der SPD.

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