Merkel und Seehofer in Keferloh:Queen Kanzlerin

Angela Merkel überrascht bei ihrem Bierzelt-Debüt mit einem ungewöhnlichen Auftritt - und muss am Ende doch feststellen: Die Bayern kann sie einfach nicht begeistern.

Wolfgang Jaschensky, Keferloh

Noch bevor mit Horst Seehofer und Angela Merkel die Stargäste die Bühne betreten, kocht das Festzelt am Keferloher Montag: Die Blaskapelle spielt, das Bier fließt und die Spätsommersonne brennt auf das Zeltdach.

Angela Merkel in Keferloh Bundeskanzlerin CDU dpa

Queen Kanzlerin auf ihrer Kutsche: Angela Merkel macht selbst inmitten bayerischer Folklore einen präsidialen Eindruck.

(Foto: Foto: dpa)

Bereits Stunden vor dem Auftritt der Bundeskanzlerin war das Zelt voll. Wer es verlassen wollte, kam danach nicht mehr rein - und wer im Zelt war, verpasste den gelungensten Teil des ersten Auftritts der Kanzlerin als Wahlkämpferin in Bayern: Zusammen mit dem Ministerpräsidenten fuhr sie in einer Kutsche vor das Zelt und winkte dabei fleißig - ebenso wie im vergangen Jahr Erwin Huber und Roland Koch.

Der Coup war den Veranstaltern also auch in diesem Jahr wieder geglückt, war doch der Keferloher Montag nicht nur das Oktoberfest des Mittelalters, sondern einst auch Bayerns größter Pferdemarkt.

Die Kanzlerin, die im bisherigen Wahlkampf ihre präsidiale Pose perfektioniert hat, schafft es sogar auf einem Zweispanner zwischen lauter Blasmusikern, ihrer Rolle treu zu bleiben. Vom Wagen winkend erinnerte sie mehr an die Queen als an eine Wahlkämpferin auf Stimmenfang.

"Da schau' her", sagt einer der Zuschauer, "des hät' i net denkt." Ein anderer ruft der Kanzlerin zu: "Jetzt haben wir uns so an sie gewöhnt, jetzt können Sie auch bleiben." Doch allzu weit geht die Liebe der Bayern zur Bundeskanzlerin nicht. Darüber können auch die "Angie"-Rufe nicht hinwegtäuschen, die Merkel am Ende ihrer Rede bekommt.

Horst Seehofer, der sich auf Grußworte und Allgemeinplätze beschränkte, landete in zehn Minuten jedenfalls mehr Lacher als die Kanzerlin in einer Stunde - und punktete mit der Masche, die in Bayern immer zieht: Mir san mir.

"Ich darf nichts sagen, weil ich Angst haben muss, dass das, was ich sage, nicht mit dem übereinstimmt, was Sie später hören." Der Saal tobt. Dann lobt er noch den weiß-blauen Himmel, die Bauern und überhaupt alle Bayern - und die Menschen im Zelt sind zufrieden.

Merkel hingegen arbeitete sich in ihrer Rede tapfer durch das Wahlprogramm ihrer Partei: Von der Finanzkrise zur Familienpolitik, von der Bildung zu den Bauern. Wenn sie die Manager und Banker für ihre Gier geißelt, gibt es höflichen Applaus, wenn sie ihren Einsatz in der Finanzkrise lobt nicht einmal das.

Erst, als sie sich den Ex-Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick zur Brust nimmt, klatscht die Menge länger. "Wenn jetzt alle Karstadt-Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze bangen, kann ich nicht verstehen, dass sich einer nicht schämt für sechs Monate Arbeit 15 Millionen Euro zu verlangen." Das kommt in dem Münchner Vorort an.

Merkel gibt sich größte Mühe, den Bayern entgegenzukommen: Sie spricht über die Bedeutung der ländlichen Regionen, lobt den Forschungsstandort und verspricht sich für die Milchbauern einzusetzen. Die Zuhörer applaudieren brav - doch Begeisterung sieht anders aus.

So ist auch eher interessant, was Merkel nicht sagt: Abgesehen von einer kurzen Passage, in der sie die Linke angreift, fällt kein Wort über den politischen Gegner, kein Wort über ihren Herausforderer, SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, und kein Wort über das aktuell brisanteste Thema: den Luftangriff in Afghanistan.

Am Ende bekommt die Kanzlerin, wie es Tradition ist, einen Strohhut überreicht. Doch anders als die Tradition es vorsieht, weigert sich die Kanzlerin ihn auch aufzusetzen. Als sie die Reaktionen aus dem Publikum bemerkt, erklärt sie schnell, sie habe heute abend noch einen Fernsehauftritt und müsse aus Rücksicht auf ihre Frisur darauf verzichten. Das Zelt verlässt sie über den Hinterausgang.

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